Stiftung Warentest will mit der „Mogelpackung des Monats“ Tricks von Herstellern aufdecken. In der aktuellen Ausgabe trifft es einen losen Arzneitee des Herstellers H&S. Die Dose sei „nur gut zur Hälfte befüllt“, urteilen die Tester. Die baden-württembergische Firma weist die Kritik zurück.
Auf die Teedose von H&S wurde Warentest per E-Mail hingewiesen: „Gerade ist mir eine Mogelpackung in die Finger gekommen. Die Dose erweckt den Eindruck, dass mehr Inhalt darin steckt“, schrieb eine Leserin an die Redaktion. Da der Behälter nur knapp über die Hälfte gefüllt sei, handele es sich um eine Mogelpackung, antworteten die Tester. „Das gilt auch, wenn ein Produkt, wie in diesem Fall, als freiverkäufliches Arzneimittel in der Apotheke verkauft wird.“ Auf einem Foto zeigt Warentest die Füllhöhe mit einer roten Linie an.
H&S sieht sich dagegen im Recht: Die Füllhöhe sei juristisch geprüft worden, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin Stephanie Klar. „Packungen mit losem Arzneitee müssen nicht verpflichtend voll sein.“ Zwar liege für Verbraucher womöglich der Gedanke nahe, es handele sich um eine Mogelpackung. Da die Ware aber unterschiedlich ausfalle, müsse ausreichend Platz nach oben gelassen werden, argumentiert Klar. Nötig seien mindestens etwa fünf Zentimeter.
„Ich will nicht aus technischen Gründen auf eine möglicherweise schlechtere Qualität zurückgreifen müssen, nur damit der Tee in die Dose passt“, sagt die H&S-Chefin. Die Füllmenge von 100 Gramm sei außerdem zweimal auf der Verpackung gekennzeichnet.
Laut Eichgesetz ist es verboten, Fertigpackungen auf den Markt zu bringen, wenn sie eine größere Füllmenge vortäuschen als tatsächlich enthalten ist. Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert, dass konkrete Bestimmungen, ab wann eine Mogelpackung vorliegt, fehlen. Lediglich eine interne Leitlinie gebe vor, dass nicht mehr als 30 Prozent Luft in der Packung sein sollten.
Die Rubrik „Mogelpackung“ gibt es bei Warentest seit 25 Jahren. Auch im Internet werden die monierten Produkte veröffentlicht. Die Hinweise würden mehrheitlich von Lesern geschickt, sagt eine Sprecherin. Oft würden zusätzlich Fotos oder Muster gesendet. Die ausgesuchten Artikel werden von der Redaktion zur Kontrolle noch einmal separat gekauft.
Die Auswahl der Produkte erfolgt willkürlich: Ein kleines Team entscheidet. „Wir wollen eine bunte Mischung, die das Heft auffrischen soll“, sagt die Sprecherin. Außerdem würden saisonale Produkte berücksichtigt wie aktuell Adventsartikel. Vor dem H&S-Husten- und Bronchialtee wurden die im Verhältnis zum Inhalt zu großen Faltschachteln einer Biotherm-Creme, des Hundefutters Meradog Soft Snack und eines Baumkuchens von Netto kritisiert. Die Hersteller werden laut Warentest nicht über die Veröffentlichung informiert.
Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte gemeinsam mit einem Eichamt im Juni Mogelpackungen stichprobenartig untersucht. Zwei Drittel der geröntgten 24 Verpackungen hätten zu viel Luft, lautete das Urteil. Bei 7 Prozent waren mehr als 50 Prozent der Packung leer. Aptamil Anti-Reflux von Milupa beispielsweise war nur zu 41 Prozent gefüllt.
H&S ist mit einem Marktanteil von etwa 22 Prozent die Nummer 2 in den Apotheken. Die ersten Arzneitees führte die 1949 gegründete Firma in den 1960er Jahren ein. H&S schickt 30 Außendienst-Mitarbeiter in die Apotheken; außerdem arbeitet die Firma mit externen Dienstleistern zusammen.
Der Hersteller mit Sitz in Kressborn bietet zusätzlich zu den Filterbeuteln 14 verschiedene lose Arzneitees in Dosen an. Das Unternehmen stellt aber nicht nur Tee her, sondern entwickelt und verkauft auch die Maschinen für die Verpackung. Aufträge zur Lohnherstellung werden ebenfalls angenommen. Die Teemarke Goldmännchen für den Lebensmitteleinzelhandel gehören ebenfalls zur Firma.
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