Im Fall von Tamoxifen zählt jede Packung, um den Lieferengpass abzufedern und die Versorgung zu sichern. Der Hersteller Aristo hat jetzt ein kleines Kontingent zur Verfügung gestellt und übrig gebliebene Ärztemuster umgewidmet.
Inzwischen hat auch Aristo keine Verkaufsware mehr, im Lager befand sich allerdings noch eine größere Anzahl an unverkäuflichen Ärztemustern. Da sich der Hersteller ohnehin entschieden hat, sein Produkt aufgrund der massiven Preissteigerungen nach Ablauf der Rabattverträge vom Markt zu nehmen, hat das Management in Absprache mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Ausnahmegenehmigung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSO) als zuständige Aufsichtsbehörde beantragt. Diesem wurde gestern stattgegeben, sodass nun rund 9000 Stück als Soforthilfe kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden.
„Aristo Pharma hat unmittelbar nach Eingang der Gestattung mit dem Versand und der bedarfsgerechten Abgabe direkt über Apotheken begonnen“, so eine Sprecherin. „Im Sinne der Versorgung der Patientinnen haben wir, solange der Vorrat reichte, pro Apotheke kostenlos jeweils 30 Packungen ,Tamoxifen Aristo 20 mg, 10 Tabletten, unverkäufliches Muster‘ zur Verfügung gestellt.“ Den Apotheken wurden ausschließlich die Versandkosten in Höhe von 4,95 Euro berechnet.
Rund 300 Apotheken konnten somit beliefert werden. „Wir freuen uns, dass wir damit zumindest einen kleinen und unkomplizierten Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten konnten“, so die Sprecherin weiter.
Tamoxifen gehört zu den selektiven Estrogenrezeptormodulatoren (SERM) und wird zur adjuvanten Behandlung von hormonrezeptor-positiven Mammakarzinomen nach Primärbehandlung eingesetzt. Da ein Rohstoffhersteller die Produktion des Zytostatikums eingestellt hat, kommt es zu massiven Ausfällen.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat am 11. Februar offiziell einen Versorgungsmangel festgestellt, sodass in Abstimmung mit den Behörden ein Abweichen von den arzneimittelrechtlichen Vorgaben möglich ist, um die Versorgung zu sichern. Der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat bereits verschiedene Maßnahmen zur Abmilderung des Lieferengpasses beschlossen, darunter eine Retaxsperre und ein Bevorratungsverbot.
Tamoxifen steht auf der Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe des BfArM. Die Behandlung mit dem SERM kann sich über mehrere Jahre erstrecken. Dabei kann der Wirkstoff das Rezidivrisiko senken und die Überlebenszeit verlängern. Durch den Lieferengpass kann es vorkommen, dass Patientinnen auf Alternativen umgestellt werden müssen. Rund 120.000 Frauen könnten betroffen sein.
Laut Arzneimittelverordnungsreport (AVR) wurden im Jahr 2019 rund 45 Millionen DDD (definierte Tagesdosen) verordnet – mit Nettokosten von jeweils 20 Cent. Mit 20,7 Millionen DDD entfielen 46 Prozent der Verordnungen auf Tamoxifen Aluid. Aristo hielt zuletzt laut eigenen Aussagen einen Anteil von 10 Prozent am Generikamarkt. Eine Versorgung des gesamten Bedarfes sei demnach gar nicht möglich, so der Hersteller. Der Lieferengpass habe ohnehin bereits dazu geführt, dass auch die Bestände der anderen Hersteller „leergekauft“ wurden.
Tamoxifen ist in Dosierungen von 10 mg bis 30 mg je abgeteilter Einheit erhältlich. Die reguläre Dosierung beträgt 20 mg täglich. Der Arzt/die Ärztin kann die Dosierung individuell anpassen. In einigen Fällen werden bis zu 40 mg täglich verordnet.
Als Alternative können Aromatasehemmer wie Anastrozol, Letrozol und Exemestan verordnet werden. Diese wurden im Jahr 2019 laut AVR sogar häufiger als Tamoxifen verordnet, nämlich insgesamt 54,9 Millionen DDD. Letrozol führt mit 28.7 Millionen DDD; der Wirkstoff ist in Dosierungen von 2,5 mg je abgeteilter Einheit am Markt. Die Dosierung ist einmal täglich eine Tablette.
Auch die Einnahmedauer von Letrozol erstreckt sich über Jahre. So wird der Aromatasehemmer in der adjuvanten und der erweiterten adjuvanten Therapie über fünf Jahre eingenommen. Auch eine sequenzielle Behandlung mit einem Wechsel von Letrozol nach zwei Jahren auf Tamoxifen für weitere drei Jahre ist möglich – auch diese Option könnte aufgrund des Engpasses wegfallen.
Laut Leitlinie zeigt Tamoxifen bei bestimmten Tumorformen einen ähnlichen protektiven Effekt wie die Aromatasehemmer. So beispielsweise beim DCIS (Ductales Carcinoma in situ) – einer Frühform des Brustkrebes. Aromatasehemmer können aber nicht immer als schnelle Alternative zu Tamoxifen angesehen werden. Die Umstellung von Tamoxifen-Patientinnen muss ganz individuell erfolgen.
APOTHEKE ADHOC Debatte