57 Prozent könnten vom Markt verschwinden

Studie warnt vor Orphan Drug-Aus

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Berlin -

Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) hat eine Studie in Auftrag gegeben, die zeigt: Ohne die spezielle Nutzenbewertung für Orphan Drugs wären 57 Prozent dieser Medikamente vom Markt bedroht – mit gravierenden Folgen für die Patientenversorgung.

Zuletzt wurde die Regelung für Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen mit dem Gesetz zur Finanzstabilisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinStG) aus dem Jahr 2022 verschärft. Damals wurde die Umsatzschwelle, die für den Status eines Arzneimittels zur Behandlung seltener Erkrankungen relevant ist, von 50 auf 30 Millionen Euro abgesenkt.

Der Orphan Drug-Status gilt für Medikamente, die seltene, schwerwiegende Erkrankungen behandeln, die weniger als einen von 2000 EU-Bürgern betreffen. Er gewährt unter anderem eine zehnjährige Marktexklusivität nach der Zulassung, unabhängig vom Patentschutz, und schützt vor Wettbewerbern, solange diese nicht überlegen sind.

Wiederkehrende gesundheitspolitische Diskussionen würden allerdings eine Gleichstellung der Bewertungsstandards für alle Medikamente fordern, ohne die speziellen Herausforderungen seltener Erkrankungen zu berücksichtigen. Dies könnte die Verfügbarkeit von Orphan Drugs beeinträchtigen, warnt der vfa.

Gravierende Folgen für die Patientenversorgung

Der Verband gab aus diesem Grund eine Studie in Auftrag, um die möglichen Folgen einer Abschaffung der Regelung für die Versorgung mit seltenen Arzneimitteln zu untersuchen. Ohne die Orphan Drug-Regelung könnten 57 Prozent der seltenen Arzneimittel vom Markt verschwinden, da ihre Preise durch die Anwendung allgemeiner Bewertungsstandards stark sinken würden – in einigen Fällen bis auf Generikaniveau. Besonders betroffen wären insbesondere innovative Gen- und Zelltherapien, bei denen das Risiko für eine Marktrücknahme laut Studie bei 78 Prozent liegt.

Bei einer Abschaffung der Orphan Drug-Regelung könnten 79 Prozent der Medikamente einen Zusatznutzen nicht mehr nachweisen und wären einem dramatischen Preisverfall ausgesetzt. In der Folge wären 57 Prozent der Orphan Drugs einem sehr hohen bis maximalen Marktrücknahmerisiko ausgesetzt. Bei weiteren 20 Prozent würde ein individuelles Marktrücknahmerisiko das Gefährdungspotenzial zusätzlich vergrößern. Allenfalls bei 24 Prozent der Medikamente wären geringe Risiken für die Marktverfügbarkeit vorhanden.

Forderung nach einer differenzierten Nutzenbewertung

Dr. Ulrike Götting, Geschäftsführerin für Markt und Erstattung des vfa, warnt vor einer einheitlichen Nutzenbewertung, die die Verfügbarkeit von Orphan Drugs, besonders bei seltenen Erkrankungen, gefährden könnte. „Das wäre geradezu paradox.“ Sie fügt hinzu, dass Medikamente für seltene Erkrankungen oft nicht die üblichen Kriterien der Nutzenbewertung erfüllen könnten, da sie aufgrund kleiner Studienpopulationen andere Evidenzregeln erforderten. „Deshalb hat sich die Politik ganz bewusst dafür entschieden, Orphan Drugs mit der erfolgten Zulassung nur einer eingeschränkten Nutzenbewertung auszusetzen. Wie unsere Studie zeigt, war diese Entscheidung richtig!“

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