Übernahmen sind zeit- und kostspielig. Von den ersten Gesprächen bis zur Vertragsunterzeichnung vergehen Monate, manchmal Jahre. Umso ärgerlicher, wenn der Deal dann doch nicht zustande kommt – etwa weil plötzlich ein anderer zuschlägt. Vor rund sechs Jahren musste der Berliner Lohnhersteller Haupt Pharma zusehen, wie ihm die Beteiligungsgesellschaft Invita das Pharmaunternehmen Mucos (Phlogenzym, Wobenzym P) wegschnappte. Das eigentlich Brisante: Haupt Pharma wurde vom eigenen Mehrheitsaktionär ausgestochen. Jetzt hat der frühere Firmenchef Christian Semmler einen Prozess vor Gericht angestoßen.
Invita ist mit rund 80 Prozent an Haupt Pharma beteiligt, Semmler ist Minderheitsaktionär. Zwischen 2003 und 2005 hatte der Unternehmer mit Mucos über eine Übernahme verhandelt, dann schlug plötzlich Invita zu. Das Geschäft lohnte sich: Invita verkaufte Mucos 2007 an die kanadische Firma Atrium Innovations.
Vor dem Landgericht Berlin wird jetzt ein Schadenersatz für Haupt Pharma gefordert. Die Klage strengt Semmler nicht persönlich an; stattdessen hat er Professor Dr. Uwe Schneider, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Kreditrecht der Universität Mainz, als sogenannten besonderen Vertreter bestimmt.
Invita, die Beteiligungsfirma von Haupt-Aufsichtsratschef Otto Prange, kontert: Semmler habe erst nach seinem Ausscheiden aus der Unternehmensführung Ansprüche erhoben – davor habe er seit 2004 an den Geschäften zwischen Haupt Pharma und Invita nichts zu beanstanden gehabt.
Außerdem wirft Invita Semmler vor, Haupt Pharma seinerseits finanziell bluten zu lassen: Weil Semmler selbst keine Prozesskosten trage, müsse Haupt Pharma bei einer Niederlage für die Gerichtskosten aufkommen.
In Wahrheit wolle Semmler mit dem Verfahren Druck auf Invita und Prange ausüben, so Pranges Anwälte: Eigentliches Ziel sei es, sich als „lästigen Minderheitsaktionär“ von Invita zu einem möglichst hohen Wert bei Haupt Pharma herauskaufen zu lassen. Ende März wird vor dem Landgericht verhandelt.
Die Wurzeln vom Haupt Pharma reichen in die 1930er Jahre zurück. Heute betreibt die Firma neun Produktionsstandorte, sechs davon in Deutschland und je ein Werk in Frankreich, Italien und Japan. In Münster werden beispielsweise vor allem Präparate mit Schilddrüsen- und Sexualhormonen hergestellt, im bayerischen Wolfratshausen unter anderem Zytostatika.
Insgesamt fertigt Haupt Pharma für mehr als 200 Unternehmen mehr als 1500 Produkte in verschiedenen Darreichungsformen. Außerdem betreibt das Unternehmen, zusammen mit dem Schweizer Pharmahändler Galenica und dem Logistiker Loxess aus Tegernsee, den Pharmalogistiker Loxxess Pharma. Für das laufende Geschäftsjahr, das im Mai endet, rechnet Haupt Pharma mit einem Umsatz von 274 Millionen Euro.
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