Versandapotheken müssen bei der Gestaltung ihrer Shops künftig besonders aufmerksam sein. Denn die besondere Bewerbung einzelner Produkte könnte – je nach Vereinbarung mit dem Hersteller – vom Anti-Korruptionsgesetz erfasst sein. Nur die ausländischen Versender haben es leichter: Bei ihnen kommt der geplante Straftatbestand nicht zur Anwendung.
Der Entwurf zum Anti-Korruptionsgesetz stellt die heilberufliche Unabhängigkeit in den Mittelpunkt. Der Apotheker soll sich bei der Abgabe von OTC-Arzneimitteln nicht beeinflussen lassen. In diesem Zusammenhang wird seit Monaten über die Bedeutung von Einkaufsvorteilen diskutiert. Weil unklar ist, wann ein Rabatt als Indiz für eine Unrechtsvereinbarung gewertet werden könnte, herrscht in der Branche große Unsicherheit.
Bei Versandapotheken steht die heilberufliche Unabhängigkeit nicht so im Fokus wie in Vor-Ort-Apotheken. Denn in den meisten Fällen wählt der Kunde sein Präparat selbst aus, eine mögliche Beeinflussung entfällt zusammen mit der Beratung. Ausgeschlossen ist eine Einflussnahme aber nicht, weil die Versender die Kunden über die Gestaltung ihrer Internetseiten lenken können. Sobald dies in Verbindung etwa mit Werbekostenzuschüssen der Hersteller geschieht, ist man im Bereich des Anti-Korruptionsgesetzes.
Das beginnt bei der Gestaltung der digitalen Sichtwahl: Auf der Startseite bewerben Versender gewöhnlich ihre aktuellen Angebote oder spezielle Markenshops. Bekommt der Versandapotheker von den betroffenen Herstellern einen besonderen Rabatt für diese Platzierung, dürfte das unter dem Korruptionsgesichtspunkt noch unproblematisch sein. Jedenfalls solange der Kunde über die Suchfunktion Alternativen finden kann.
Kritischer wäre ein gezielter Ausschluss anderer Produkte. Wenn der Versender etwa mit einem Hersteller von Schmerzmitteln besondere Konditionen abgeschlossen hat und Kunden bei der Suche nach Schmerzmitteln nur dieses eine Medikament angezeigt bekommen, wäre das schon eine weitgehende Einflussnahme.
In diesen Bereich könnten auch Newsletter fallen, in denen die Versandapotheke nur ein einziges Präparat bewirbt – und der Hersteller dafür zahlt. Strafrechtlich entscheidend ist immer, ob es nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts eine unlautere Absprache gab.
Ausländische Versandapotheken werden in der Regel vom Anti-Korruptionsgesetz nicht berührt: Das Strafrecht gilt territorial, es werden also nur Verbrechen bestraft, die in Deutschland begangen werden. Es gibt im Strafgesetzbuch zwar einen Katalog mit Ausnahmen, zu denen unter anderem die Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern zählt. Korruption im Gesundheitswesen ist davon aber nicht erfasst.
Mit anderen Worten: Große niederländische Versandapotheken wie DocMorris oder die Europa Apotheek Venlo (EAV) müssen sich unabhängig von ihren Einkaufskonditionen nicht vor einem Besuch des Staatsanwalts fürchten. Dessen Ermittlungskompetenz endet an der Grenze. Für DocMorris gilt das niederländische Strafrecht.
Bei all dem ist aber zu bedenken, dass die Regierung im Gesetzentwurf eines sehr deutlich macht: Apotheker sollen auch weiterhin Kaufleute bleiben können. Vorteile bei Bezugsentscheidungen werden auch mit dem Anti-Korruptionsgesetz nicht per se unzulässig. Es kommt darauf an, ob sich der Apotheker von dem Rabatt oder sonstigen Vorteil in seinem Abgabeverhalten beeinflussen lässt. Als Faustformel gilt: Je allgemeiner Konditionen im Markt gewährt werden, desto weniger Schwierigkeiten gibt es.
Spannend bleibt die Frage, wo künftig von den Staatsanwälten und Gerichten die Grenze gezogen wird. Wenn selbst ausgewiesene Experten die Folgen des Anti-Korruptiosgesetzes nicht abschätzen können, scheint es mit der Klarheit nicht besonders weit her zu sein. Bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags ging es vor allem um die Bedeutung des Berufsrechts.
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