Apothekerin zeigt DocMorris-Chefs an Alexander Müller, 13.02.2017 10:01 Uhr
Seit dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni müssen sich ausländische Versandapotheken nicht mehr an die deutsche Preisbindung halten. Das beste Mittel gegen diese Ungleichbehandlung wird noch gesucht. Eine Apothekerin aus Nordrhein-Westfalen nimmt die Sache vorerst selbst in die Hand: Sie hat auf Empfehlung ihres Beraters, Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger, Anzeige gegen die gesamte DocMorris-Spitze erstattet – wegen einer Steuerordnungswidrigkeit.
Im Namen der Apothekerin hat Bellinger Ende vergangener Woche die Anzeige an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung in Düsseldorf geschickt. Im Kern geht es um das Verhältnis der DocMorris-Boni zur gesetzlichen Zuzahlung der Versicherten. Bellinger zufolge stellt die Versandapotheke den eigenen Kunden falsche Belege aus, was eine Ordnungswidrigkeit nach § 379 Abgabenordnung (AO) wäre.
In der Begründung der Anzeige wird zunächst das Geschäftsmodell von DocMorris beschrieben, das online und auch im Fernsehen „aggressiv beworben“ werde. Demnach erhalten Kunden für jedes bestellte verschreibungspflichtige Arzneimittel einen Mindestbonus von 2,50 Euro. Die Boni können je nach Preis des bestellten Arzneimittels steigen.
Bei der Abrechnung gegenüber den Kunden weise DocMorris den Zuzahlungsbetrag von beispielsweise 5 Euro als „Zuzahlungsquittung“ aus, heißt es in der Anzeige. Der Kunde selbst zahle aber nur 3 Euro. Offenbar stammt der vorgelegte Fall noch aus der Zeit vor der Erhöhung des Bonus von 2 Euro auf 2,50 Euro.
Weshalb das Ganze aus Bellingers Sicht ein Steuerthema ist: „Die Zuzahlungsquittung kann von dem Kunden im Rahmen seiner Steuererklärung geltend gemacht werden.“ Voraussetzung sei, dass er bei außergewöhnlichen Belastungen die entsprechenden Mindestbetragsgrenzen überschritten habe. „Die Quittung ist definitiv falsch“, moniert der Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht. Damit sei der oben genannte Tatbestand erfüllt.
Da es sich um einen sogenannten „reinen Gefährdungstatbestand“ handele, sei unerheblich, ob der Kunde die Zuzahlungsquittung im Rahmen einer Steuererklärung benutze oder nicht. „Der Betrag mag auf den ersten Blick läppisch klingen. Es geht aber darum, dass DocMorris auf deutschem Boden eine wahre Flut solcher Zuzahlungsquittungen erteilt, die falsch sind“, schildert Bellinger die Relevanz des Falls. „Die Steuerordnungswidrigkeit wird von DocMorris im ganz großen Stil in Deutschland betrieben.“
Von daher sei es nur natürlich, dass die Apothekerin nicht bereit sei, auf diesem Weg einen unlauteren Wettbewerb gegen sich durchführen zu lassen. Gegen DocMorris sei im Juni 2016 bereits ein – von einem anderen Apotheker erstrittenes – Urteil des Landgerichts Ravensburg ergangen. Weil auf dem Kundenkonto eine Gutschrift verrechnet wird, führt DocMorris aus Sicht des Gerichts letztlich die Krankenkassen hinters Licht. Die Entscheidung werde von der Versandapotheke aber „einfach ignoriert“, kritisiert Bellinger. Dieses Verfahren ist allerdings auch noch nicht abgeschlossen.
Zum Schluss erlaubt sich Bellinger in der Anzeige noch eine persönliche Bemerkung: „Das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 sieht im Fazit DocMorris berechtigt, das deutsche Preisrecht im Rx-Bereich zu ignorieren. Das EuGH-Urteil ist aber kein Freifahrtschein für Steuerordnungswidrigkeiten, die mit falschen Zuzahlungsbelegen begangen werden.“
Die Anzeige wegen einer Steuerordnungswidrigkeit hat die Apothekerin gegen DocMorris-Chef Olaf Heinrich sowie die Vorstände Professor Dr. Christian Franken, Max Müller und Michael Veigel gestellt. Neben der Anschrift der Versandapotheke im niederländischen Heerlen wird auch auf die Postanschrift in Aachen verwiesen, an die Kunden auch ihre Bestellungen richten. „Nach unseren Informationen handelt es sich insoweit allerdings um ein reines Postfach“, heißt es in der Anzeige.
Unabhängig von dieser Anzeige ist in Diskussion, ob Rx-Boni sozialrechtlich überhaupt zulässig sind. Die Kassen finden Wettbewerb im Apothekenmarkt zwar grundsätzlich gut, etwaige Vorteile beim Bezug von Arzneimitteln stünden aber der Solidargemeinschaft zu, so das Argument. Die Kassen würden am liebsten selbst Selektivverträge mit den Versendern schließen – was das Problem für die Apotheken vor Ort noch verschärfen würde. Zuletzt hatte der Ersatzkassenverband VDEK diesen Wunsch geäußert.