Die Ermittlungen im Zusammenhang mit mutmaßlichem Steuerbetrug bei der Datenfirma „PDGaus“ stellen sich offenbar anders dar als zunächst angenommen: Nicht der FDP-Politiker Leif Blum steht derzeit im Mittelpunkt der Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Darmstadt, sondern vor allem der mutmaßliche „faktische Geschäftsführer“ des Unternehmens. Nach Informationen aus verschiedenen Quellen handelt es sich dabei um AvP-Chef Mathias Wettstein.
Am Dienstag vergangener Woche waren die Geschäftsräume von PDGaus im hessischen Ober-Ramstadt sowie die Wohnung von Blum durchsucht worden. Parallel waren ein Dutzend Steuerfahnder und Staatsanwälte in Düsseldorf im Einsatz: Hier wurden die Wohnung des mutmaßlichen „faktischen Geschäftsführers“ sowie die mutmaßlichen „faktischen Geschäftsräume“ von PDGaus durchsucht.
Was etwas sperrig klingt, könnte sich leicht erklären lassen: PDGaus ist unter derselben Adresse gemeldet wie die Kanzlei Baumann & Baumann, bei der Blum Partner ist. Sollte der Fachanwalt für Steuerrecht tatsächlich nur auf dem Papier das Amt des Geschäftsführers für die Datenfirma ausgeübt haben, könnten die Geschäfte mit Programmen und Daten also andernorts abgewickelt worden sein.
In Düsseldorf hat Wettstein seinen Wohnsitz. Der 58-jährige Unternehmer war nicht nur bis vor kurzem Eigentümer von PDGaus – die Firma trägt den Namen seiner Ex-Frau –, sondern ist auch Gesellschafter des privaten Rechenzentrums AvP.
AvP hat seinen Hauptsitz ebenfalls in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, ist aber von den Ermittlungen nicht betroffen. Die mutmaßlichen „faktischen Geschäftsräume“ von PDGaus, die durchsucht wurden, sind allerdings wie AvP in der Simrockstraße zu finden. Ob alle in dem Haus untergebrachten Firmen einem Verbund zuzuordnen sind, wird erst noch geprüft.
Bis jetzt musste nur Blum die Sache öffentlich ausbaden. Weil er Abgeordneter ist, musste das Landtagspräsidium die Durchsuchungen vorab genehmigen. Nachdem der Fall publik wurde, legte der FDP-Mann sein Mandat als finanzpolitischer Sprecher und Parlamentarischer Geschäftsführer nieder. Bereits zuvor war Blum nach einem Bericht des „Darmstädter Echo“ vom Vorsitz eines Untersuchungsausschusses im Landtag in einer Steuerberateraffäre zurückgetreten. Denn in einem anderen Fall von Steuerbetrug wurde gegen ihn und zwei Kollegen aus seiner Kanzlei ermittelt.
Bei PDGaus sollen Leistungen nicht angegeben und damit nicht korrekt steuerlich abgerechnet worden sein. Außerdem stehen laut Zeitungsbericht Vorwürfe mit Bezug zu einem Flugzeug der Marke „Cessna“ im Raum. Die Vercharterung von Flugzeugen gehören zum Geschäftsfeld von PDGaus – Wettstein ist Hobbyflieger.
Doch es könnte auch andere Gründe für den Umweg über Ober-Ramstadt geben. Laut „Darmstädter Echo“ gibt es Verträge, aus denen hervorgeht, dass PDGaus mit Rezeptdaten gehandelt hat. Verständlich, dass man bei AvP mit dem Schwesterunternehmen am liebsten überhaupt nicht in Verbindung gebracht werden möchte.
Seit Anfang März gehört PDGaus allerdings auch nicht mehr Wettstein, sondern Ulrich Hagedorn, Chef der Firma Hagedorn Bürotronic. Auch hier könnte sich die Staatsanwaltschaft bemüßigt fühlen, die Zusammenhänge genau zu prüfen: Die Firma vertreibt nicht nur eine Apothekensoftware, die ursprünglich von AvP entwickelt wurde, sondern hat ihren Sitz ebenfalls in der Simrockstraße und wird in der Branche dem Einflussbereich von Wettstein zugeordnet.
Für die Ermittlungen spielt der Eigentümerwechsel ohnehin keine Rolle mehr: Untersucht werden Vorgänge aus den Jahren 2005 bis 2009. Sollte sich der Anfangsverdacht erhärten, könnte die Staatsanwaltschaft gegen die damaligen Firmenchefs Anklage wegen Steuerhinterziehung erheben – ganz faktisch und tatsächlich.
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