Bei der Stada gibt es einen Wechsel an der Spitze: Konzernchef Dr. Matthias Wiedenfels und Finanzchef Helmut Kraft nehmen mit sofortiger Wirkung ihren Hut. Kommissarische Nachfolger gibt es bereits.
Wiedenfels und Kraft legen ihre Ämter mit sofortiger Wirkung nieder. Der erst im Frühjahr bestellte Vorstand für Produktion und Entwicklung, Dr. Barthold
Piening, setzt seine Aufgabe unverändert fort. Wiedenfels war 2009 von der Kanzlei Ashurst zu Stada gekommen und für den Bereich Zentrale Dienste verantwortlich; sein erstes Großprojekt war die Ausgliederung der Logistik an DHL. Kraft ist seit 2010 in Bad Vilbel; er war von Phoenix gekommen.
Offiziell haben Wiedenfels und Kraft ihre Ämter „aus persönlichen Gründen“ niedergelegt. Die Umstände bleiben unklar. So hatte Wiedenfels zuletzt keinerlei Rücktrittsabsichten geäußert – auch nicht nach dem gescheiterten Verkauf. Er hatte betont, Stada werde an seinen Geschäftszielen festhalten und die begonnene Strategie umsetzen. Das Verhältnis von Wiedenfels zu Aufsichtsratschef Carl Ferdinan Oetker galt aber schon länger als angespannt. Oetker wurde nachgesagt, Vorbehalte gegen den Verkauf zu haben – was er abgestritten hatte.
Nun wurde Engelbert Coster Tjeenk Willink vom Aufsichtsrat zum neuen Konzernchef bestellt. Er hat den Posten zunächst bis zum 31. Dezember. Der 56-Jährige bringt 25 Jahre Erfahrung in der pharmazeutischen Industrie mit und war bis 2012 Mitglied der Geschäftsführung von Boehringer Ingelheim. Seitdem ist er Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte in der Branche. Tjeenk Willink wird auch die Ressorts Marketing und Vertrieb verantworten.
Dr. Bernhard Düttmann wurde zum Vorstand für das Ressort Finanzen bestellt, ebenfalls mit sofortiger Wirkung und bis zum 31. Dezember. Der 57-Jährige war bis 2015 Finanzvorstand von Lanxess und zuvor Finanzchef von Beiersdorf. Seit 2015 ist er Mitglied in zahlreichen Aufsichtsratsgremien.
„Der Aufsichtsrat beschäftigt sich seit vielen Monaten damit, den Vorstand zu komplettieren und das beste Team für ein zukunftsstarkes Unternehmen zu suchen. Dank vieler Diskussionen mit relevanten Kandidaten war es uns daher möglich, sehr kurzfristig zwei hervorragende Topmanager mit sehr viel Seniorität und Erfahrung zu gewinnen. Mit Engelbert Coster Tjeenk Willink und Dr. Bernhard Düttmann haben wir zwei ausgewiesene Topmanager, die ab sofort die Führung übernehmen“, sagte Aufsichtsratschef Carl Ferdinand Oetker.
Oetker weiter: „Unser operatives Geschäft bleibt von diesem Wechsel unberührt,
wir weichen nicht von unseren operativen und finanziellen Zielgrößen ab. Sollten es weitere Übernahmeofferten geben, dann wird die Stada diese ebenso unvoreingenommen prüfen und bewerten.“
Er freue sich sehr auf die neue Aufgabe, sagte Tjeenk Willink. „Ich bin seit 25 Jahren in diesem Markt tätig, kenne die Stada seit langem und freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die ersten Prioritäten für mich sind, die Wachstumsstrategie weiter umzusetzen sowie mögliche weitere Übernahmeangebote zu prüfen. Ich werde jede Option im Interesse der Aktionäre und der Belegschaft unvoreingenommen abwägen.“
Wiedenfels und Kraft hatten nach dem Rauswurf des langjährigen Konzernchefs Hartmut Retzlaff zunächst kommissarisch die Leitung übernommen. Die vergangenen zwölf Monate waren turbulent: Erst musste Wiedenfels seinen Führungsanspruch verteidigen, als über eine Rückkehr Retzlaffs spekuliert wurde: „Ich bin der Vorsitzende dieser Company. Punkt“, sagte er bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen. „Sie können so ein Amt nicht interimistisch führen.“ Einen vermeintlichen Konflikt mit seinem Vorgänger wies er zurück: „Es gibt keine Streitigkeit“, sondern ein „fast freundschaftliches Verhältnis“.
Parallel machten aktivistische Investoren Druck, den Aufsichtsrat auszutauschen und die Firma neu auszurichten. Bei der Hauptversammlung im August 2016 räumte Wiedenfels Fehler ein und gelobte Besserung. Im Oktober stellte er die geplante Neuausrichtung vor, die allerdings weniger revolutionär war als erwartet.
Wiedenfels wurde laut einem Medienbericht außerdem abgehört: Im zweiten Halbjahr 2016 sei er über einen Apparat in seinem Dienstwagen bespitzelt worden, berichtete das Manager Magazin. Zudem seien ihm anonym Fotos und Briefe geschickt worden, die den 43-jährigen in vertraulichen Geschäftssituationen und im privaten Umfeld zeigten. Stada habe Sicherheitsleute und Behörden eingeschaltet, woraufhin die Spähaktionen aufgehört hätten.
Für Wiedenfels war aber vor allem das Scheitern der Übernahme durch Finanzinvestoren eine herbe Niederlage. Er hatte sich massiv für den Deal eingesetzt und ein hervorragendes Angebot ausgehandelt, wie er fand. Doch bereits im ersten Anlauf mussten Bain und Cinven die Annahmequote von 75 auf 67,5 Prozent senken und die Frist verlängern, weil nicht genug Stada-Aktionäre ihre Papiere angedient hatten.
Trotzdem fehlten am Ende 2 Prozentpunkte, um den Deal über die Bühne zu bekommen. Obwohl sich Hedgefonds eingekauft hatten, um Kasse zu machen, waren auch viele Kleinanleger mit dem Verkauf nicht einverstanden. Die Kampagne, die sie überzeugen sollte, verpuffte.
Zuletzt war bekannt geworden, dass die Finanzinvestoren einen neuen Anlauf prüfen und erwägen, bei der Finanzaufsicht (Bafin) einen Antrag auf Befreiung von der einjährigen Sperrfrist zur Abgabe einer erneuten Offerte zu stellen. Stada hatte zugesagt, eine Zustimmung zu dem Antrag zu prüfen.
Bain und Cinven könnten in den nächsten Tagen im Zusammenhang mit einem erneuten Angebot auf Stada zukommen – unabhängig davon, ob Wiedenfels ausgetauscht werde, so Bloomberg. Die Investoren sollen bereits mit ihren eigenen Kandidaten für den Vorstandsvorsitz gesprochen haben, hieß es.
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