Ladival: Warum Stada jährlich Millionen zahlen muss Patrick Hollstein, 30.08.2017 10:21 Uhr
Stellen Sie sich vor, VW verkauft die Marke Golf an einen Vertrauten des Konzernchefs und least sie dann zurück. Gibt‘s nicht? Gibt‘s doch. Bei Stada. Der Generikahersteller ist derzeit nicht im Besitz der Rechte an Ladival. Sondern muss jährlich 10 Prozent des Umsatzes an einen früheren Berater von CEO Hartmut Retzlaff zahlen.
Es war ein kleiner Hinweis im Konzernanhang des Geschäftsberichts 2013, der die Aktionäre auf den Deal hinwies. Dort hieß es technisch im Finanzjargon: „Ein wesentlicher neuer Leasingvertrag, der im Berichtsjahr abgeschlossen wurde, ist eine Lizenzvereinbarung und betrifft die Rücklizenzierung eines im Berichtsjahr verkauften immateriellen Vermögenswerts zur weiteren exklusiven vertrieblichen Nutzung.“
Auf Nachfrage wollte sich der Konzern damals nicht dazu äußern, welche Marke Gegenstand dieses ominösen Geschäfts war. Dass es ans Eingemachte ging, konnte man aber erahnen. Denn immerhin 30 Millionen Euro hatte der Käufer bezahlt – für ein Produkt, mit dem die maßgeblichen Umsätze in Deutschland erzielt wurden.
Nun hat die Wirtschaftswoche doch noch herausgefunden, dass damals keine geringere Marke als Ladival verkauft wurde. Der Konzern verwies auf Nachfrage auf die damals geschlossene Vertraulichkeitserklärung, Insider bestätigen aber den Bericht.
Damit hat der Konzern also die Rechte für eine seiner Top-5-Marken und zugleich eines seiner ältesten und bekanntesten OTC-Produkte aus der Hand gegeben. Mit wohl keinem anderen Produkt wird der Name Stada in Deutschland so stark in Verbindung gebracht wie mit der Sonnenschutzcreme. Die Rechte für die anderen OTC-Produkte liegen im Konzern verteilt; Mobilat etwa gehört zu einer Tochterfirma in Dublin.
Seit 1. Dezember 2013 muss der Konzern für die Nutzung der Marke Ladival 10 Prozent auf alle Nettoumsatzerlöse zahlen, die mit den dazugehörigen Produkten innerhalb der EU erzielt werden. Diese Klausel kam gerade noch rechtzeitig, denn ein Jahr später wurde Ladival auch in Spanien und in Großbritannien eingeführt. Um den Käufer doppelt abzusichern, wurde außerdem eine feste Mindestlizenzgebühr vereinbart.
Bei einem Umsatz von rund 30 Millionen Euro muss der Konzern als derzeit 3 Millionen Euro pro Jahr für die Nutzungsrechte zahlen. Die Vereinbarung hat eine Laufzeit von sieben Jahren, Stada hat während der gesamten Vertragslaufzeit ein Vorkaufsrecht und außerdem eine Rückkaufoption. Kritiker finden den Deal nicht nur überflüssig, sondern auch zu teuer. Denn wenn sich Ladival gut entwickele, werde der Konzern wahrscheinlich mehr als 30 Millionen Euro zahlen müssen, um die Marke zurückzubekommen. Zuzüglich der angefallenen Lizenzgebühren.
Dazu kommt, dass der Käufer ausgerechnet Ingo Söhngen war – der ehemalige Investmentbanker aus Frankfurt zählte lange zum Inneren Kreis der Retzlaff-Berater. Die Wirtschaftswoche mutmaßt deshalb in ihrem Bericht, dass Söhngen die Rechte an einer der bekanntesteten Sonneschutzmarken „zum Freundschaftspreis“ bekommen haben könnte, weil die Zahlung sich positiv auf den Bonus von Retzlaff ausgewirkt haben könnte. Der wurde am bereinigten operativen Ergebnis (EBITDA) bemessen; da die Zahlung nicht als Sonderfaktor, sondern als sonstiger Umsatz verbucht wurde, könnte sie tatsächlich angerechnet worden sein.
Ein ehemaliger Insider widerspricht: Solche Vermutung lägen „gänzlich daneben“, Retzlaff habe den Deal gar nicht eingefädelt. „Ein Anderer versteckt sich hinter ihm“, heißt es. Ein Name wird nicht genannt – noch nicht.
Ein weiterer Grund könnte gewesen sein, die damals rückläufigen Umsätze zu kaschieren: Immerhin kam der Deal zu einer Zeit, in der sich die Marke mehrere Sommer in Folge schwächelte. Ohne die 30 Millionen Euro wären die Gesamterlöse im wichtigen Heimatmarkt 2013 um 10 statt 3 Prozent eingebrochen. Betrachtet man nur die Markenprodukte, konnte der Konzern einen leichten Anstieg um 1 Prozent auf 110 Millionen Euro ausweisen – statt einen Einbruch um 27 Prozent auf 80 Millionen Euro.
Für diese Theorie der Bilanzkosmetik spricht, dass die Vereinbarung kurz vor Jahresende abgeschlossen wurde. Im Lagebericht räumte der Vorstand auch selbst ein, dass durch den Verkauf die Umsatzrückgänge teilweise kompensiert werden konnten. Als eigentliches Motiv wurde aber angegeben, dass man mit der Transaktion eine „weitere Finanzierungsmöglichkeit zur Diversifizierung der bestehenden Finanzinstrumente“ habe erschließen können.
Knapp 86 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr laut QuintilesIMS mit Sonnenpflegeprodukten in den Apotheken umgesetzt (Apothekenverkaufspreise, AVP). Das war 1 Prozent weniger als im Jahr zuvor, das allerdings gut gelaufen war. Ladival verlor 7,4 Prozent an Umsatz – im Geschäftsbericht war dagegen von gigantischen Zuwächsen die Rede. Offenbar hatte der Konzern im Vorfeld der Übernahme massiv Ware in den Markt gedrückt. In diesem Jahr fehlen diese Effekte.
Auch wenn der Marktanteil von Ladival seit Jahren rückläufig ist: Mit rund 32 Prozent ist der Abstand zur Nummer 2 nach wie vor gewaltig. Für das kommende Jahr steht ein umfassender Relaunch an. Der Lizenzgeber dürfte sich darüber freuen.