Stada: Neue Nummer 1 im OTC-Markt Patrick Hollstein, 06.06.2023 09:55 Uhr
Stada hat zuletzt von verschiedenen Zukäufen und von der starken Erkältungswelle gleich doppelt profitiert. Obwohl bestimmte Produkte vorübergehend ausverkauft waren, konnte über das gesamte Sortiment hinweg ein hohes zweistelliges Wachstum generiert werden. Nach Umsatz ist Stada im Verbund mit Aliud im ersten Quartal 2023 die Nummer 1 im OTC-Markt. Und Marc van Boven, der den Bereich Consumer Healthcare leitet, hat noch viel vor.
Um etwas mehr als 30 Prozent konnten Stada und Aliud ihre OTC-Umsätze im vergangenen Jahr steigern, während der Gesamtmarkt nur um 12 Prozent wuchs. Auch im ersten Quartal dieses Jahres hielt der Trend an: Mit knapp 40 Prozent legte der Konzern doppelt so stark zu wie der Markt, auf 160 Millionen Euro summierten sich die Erlöse der beiden Schwesterfirmen bis Ende März.
Damit kommen Stada und Aliud im Konzernverbund im ersten Quartal auf Rang 1 unter den deutschen OTC-Herstellern – vor anderen Branchengrößen wie Bayer, Ratiopharm/AbZ, Haleon und Hexal/1A Pharma. In der Einzelbetrachtung liegen Stada auf Platz 4 und Aliud unter den Top-20.
Laut van Boven hat nicht nur die massive Erkältungswelle mit dem Peak im Dezember für den Umsatzschub gesorgt: Alle Kategorien hätten outperformt, die meisten Marken zusätzliche Marktanteile gewonnen. „Das klingt nach einem astronomischen Luxus, ist aber vor allem das Ergebnis harter Arbeit und der akribischen Umsetzung unserer Strategie. Wir haben ein starkes Momentum, das wir weiter nutzen wollen.“
Bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren sah die Situation noch ganz anders aus. Das Image von Stada war nach den Turbulenzen rund um die Konzernspitze schlecht, Empfehlung und Nachfrage waren im Keller, die Stimmung im Unternehmen war schlecht. „Es gab Momente, da habe ich mich gefragt: Was mache ich hier?“
Das hat sich grundlegend geändert – nicht nur wegen der Erfolge im Abverkauf. In den vergangenen drei Jahren ist laut van Boven bei Stada eine ganz neue Firmenkultur eingezogen. Was ihn vor allem überzeugt hat: „Bei Stada wird Unternehmertum tatsächlich gelebt. Man kann unglaublich viel bewegen, unter jedem Stein liegt eine Chance.“
Vor allem in der Umsetzung sei Stada mittlerweile viel besser und schneller als alle anderen Unternehmen, die er kenne: Wenn er einen interessanten Business Case sehe, bespreche er die Sache mit CEO Peter Goldschmidt und Europachef Dr. Stephan Eder und bringe die Sache sofort auf den Weg. Ein Beispiel sei die Aufnahme von neuen Produkten: Melatonin etwa habe man im Portfolio der belgischen Tochterfirma entdeckt – und direkt ins Portfolio von Hoggar aufgenommen.
Anfangs habe man noch gar nicht genügend Leute für die vielen neuen Produkte und Aufgaben gehabt, verrät der OTC-Manager. Neben Marketing, Trademarketing und dem Vertriebsinnendienst habe man daher vor allem der Außendienst neu strukturiert und ausgebaut. 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besuchen mittlerweile die Apotheken, 30 mehr als bei seinem Antritt.
Anders als früher kommen Außendienstler nicht mehr mit dem gesamten Bauchladen in die Offizin. „Mittlerweile gehören 40 Marken zu unserem Portfolio, insgesamt sind es 350 PZN. Das kann man mit einem einzigen Außendienst für alles gar nicht abbilden.“ Die Hälfte des Vertriebsteams bespricht daher ausschließlich die Markenprodukte, 20 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiederum die blauen OTC-Generika. Und komplett neu hinzugekommen ist mit ebenfalls 20 Köpfen ein Vertriebsteam für die Dermatologika wie Ladival und Multilind. „Denn im Grunde sind wir schon eine mittelgroße Kosmetikfirma. Man kann solche Produkte aber nicht einfach nur in die Apotheke stellen und hoffen, dass sie sich von selbst abverkaufen.“
Ein Ergebnis der Offensive: Alle 14.000 Hauptapotheken werden wieder besucht – zeitweise seien es nur noch 11.700 gewesen. „Wir schwimmen gegen den Strom: Wir bauen den Vertrieb aus, während andere ihn abbauen.“
Der Erfolg spiegelt sich nicht nur in den konkreten Abverkaufszahlen wider, sondern auch in anderen relevanten Kenngrößen: In der Apothekenempfehlung liegt Stada mittlerweile wieder bei 25 Prozent, zeitweise war dieser Wert auf 15 Prozent abgerutscht. Auch die sogenannte Haushaltspenetration – also der Anteil derjenigen Haushalte, die in den vergangenen zwölf Monaten mindestens ein Stada-Produkt gekauft haben, liegt laut van Boven mit 21,6 Prozent auf einem Rekordniveau. Nach dem bisherigen Spitzenwert von 20 Prozent im Jahr 2015 war die Quote zwischenzeitlich auf 15 Prozent dramatisch abgerutscht.
Natürlich profitiert Stada aktuell auch unmittelbar von der Übernahme mehrerer großer OTC-Marken von GSK und Sanofi, darunter Silomat und Frubiase beziehungsweise Cetebe und Lemocin. Alleine der Hustenstiller sei in der aktuellen Saison um knapp 200 Prozent gewachsen, während der Markt sich „nur“ verdoppelt habe.
Und so wie es klingt, wird Stada auch weiterhin auf Einkaufstour unterwegs sein: „Wir kaufen auch kleine und mittelgroßen Marken dankbar auf – und alles, was zu uns kommt, hat seine Berechtigung und bekommt unsere volle Unterstützung“, verspricht van Boven.
Wie andere Hersteller hat auch Stada allerdings mit Lieferengpässen zu kämpfen. Während man bei Ladival in diesem Jahr einfach nur spät dran sei mit der Auslieferung, habe man bei Elotrans und Eunova zeitweise nicht alle Bestellungen bedienen können. „Man macht seine Budgetplanung und plant einen Puffer von 20 bis 30 Prozent ein. Aber wenn die Nachfrage dann um 50 bis 70 Prozent höher liegt, kommt man zwangsläufig an seine Grenzen.“
Bei Elotrans sei die Nachfrage zeitweise sogar drei- bis viermal höher gewesen. „Jede Lieferung war sofort weg.“ Daher habe man mit einer zusätzlichen Variante speziell für „Millennials, die einen aktiven Lebensstil pflegen“ wie Sportler und Partygänger reagiert: „Wir wollten den Druck vom Arzneimittel wegnehmen, um es so wieder für die Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen.“ Gleichzeitig könne man nun die Freiheiten nutzen, die ein Nahrungsergänzungsmittel biete: Elotrans reload soll nicht nur in den sozialen Medien beworben werden, sondern verstärkt auch durch Sampling in Innenstädten und auf Festivals.
Und was ist sonst noch in der nächsten Zeit von Stada zu erwarten? Bei Cetebe und Lemocin soll es im September eine Neueinführung geben, der Vorverkauf hat laut van Boven bereits begonnen. Für Grippostad soll es ab Herbst eine neue TV-Kampagne geben, Hoggar wird sogar das ganze Jahr über im Fernsehen beworben. Im Dermabereich wird Hedrin nach einem verstolperten Start wieder aktiv beworben, bei Multilind und Duofilm sind Neueinführungen geplant. Und bei den OTC-Generika will van Boven durch Einlizenzierungen bestehende Sortimentslücken schließen.
Gerade in diesem Bereich schaut sein Team ganz genau hin. Denn was man in Bad Vilbel durchaus registriert, ist eine zunehmende Preisempfindlichkeit auf der Konsumentenseite: „Wir sehen, dass das Mittelfeld nach oben und unten abwandert.“
Im Akutbereich gebe es zwar noch wenig Preiselastizität, aber gerade bei Vitaminpräparaten könne man erste Veränderungen beobachten: „Es gibt nicht immer den Soforteffekt, dass bestimmte Produkte in Summe wirklich weniger gekauft werden. Aber für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es manchmal ein schneller Kompromiss, zur Klein- statt zur Großpackung zu greifen.“ Auch hier gelte es, schnell und flexibel reagieren zu können.
Zugute kommt Stada, dass mit Aliud zusätzlich ein Portfolio für den Preiseinstieg existiert. Wenngleich man wegen der steigenden Kosten um Preiserhöhungen nicht herumkomme, könne man so auch Alternativen in einem Segment anbieten, das sich alle Verbraucherinnen und Verbraucher leisten könnten. „Wir waren schon immer sehr günstig und wollen auch in Zukunft die gesamte Bevölkerung mit unseren Arzneimitteln versorgen.“