Stada: „Gehaltsexzesse und Vetternwirtschaft“ dpa, 26.08.2016 14:06 Uhr
Auf der Stada-Hauptversammlung hat der Großaktionär Active Ownership Capital (AOC) Aufsichtsratschef Martin Abend frontal angegriffen. Er und sein Stellvertreter Carl Ferdinand Oetker hätten in ihrer Kontrollfunktion über Jahre versagt, sagte Mitbegründer Florian Schuhbauer. Sie hätten unter dem inzwischen ausgeschiedenen Vorstandschef Hartmut Retzlaff „Gehaltsexzesse und Vetternwirtschaft“ in dem Unternehmen geduldet.
„Abend und Oetker können nicht Teil des Neuanfangs sein, denn sie sind Teil des alten Systems.“ Schuhbauer versicherte, dass AOC langfristig orientiert sei und das Unternehmen als Ankerinvestor in die Zukunft führen wolle. „AOC will Stada nicht zerschlagen“, erklärte ein weiterer Vertreter der Beteiligungsgesellschaft.
Abend hatte zu Beginn der Hauptversammlung die Leitung an eine Notarin abgegeben – ein ungewöhnlicher Vorgang. „Diese Hauptversammlung ist von großer Bedeutung für die Zukunft unseres Unternehmens“, sagte Abend. Er warb für seinen Verbleib im Aufsichtsrat. Er stehe für die Kontinuität des Gremiums. Der komplette Austausch der Kapitalvertreterseite im Aufsichtsrat würde einen „kompletten Verzicht auf Kontrolle und Erfahrung“ bedeuten.
Bei den Kandidaten des Aktionärs AOC bezweifelte er deren Unabhängigkeit. Er zitierte Einschätzungen, die eine Nähe zum Pharmakonzern Novartis nahelegten. Tatsächlich stammen die Kandidaten aus dem Umfeld von Novartis/Sandoz/Hexal; Schuhbauer macht keinen Hehl daraus, dass er den Konkurrenten als Vorbild sieht.
Man müsse den aktivistischen Aktionären dankbar sein, sagte hingegen Peter Barth, Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): „Stada ist aus seinem Dornröschenschlaf wach gerüttelt worden, nicht wachgeküsst.“
Der Aktionärsschützer verlangte andererseits vom Großaktionär AOC die Offenlegung der eigenen Interessen. Die Gesellschaft trete als „selbst ernannter weißer Ritter mit geschlossenem Visier“ auf, sodass nicht einmal ausgeschlossen werden könne, dass dahinter ein Konkurrent stehe.
Die DSW lehnt den Komplettumbau des Aufsichtsrats ab und bezweifelt ebenfalls die Unabhängigkeit der von AOC benannten Kandidaten. Möglicherweise sei mit ihnen bereits die Abwahl des Vorstands und der weiteren Unternehmensführung verabredet worden, mutmaßte Barth.
Auf Antrag mehrerer Gesellschafter mussten sich die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat einzeln von den Eigentümern für das Geschäftsjahr entlasten lassen – auch dies zeigte das Misstrauen vieler Aktionäre gegenüber den Führungsspitzen.
Vorstandschef Matthias Wiedenfels hatte in seiner Ansprache eingeräumt, dass man sich lange auf dem Erfolg ausgeruht habe. Stada sei in der Vergangenheit „manchmal zu unbeweglich gewesen“. Geschäftschancen hätten sonst konsequenter genutzt und unrentable Geschäftsfelder früher erkannt und abgestellt werden können. Man sei auch nicht transparent genug gewesen, sodass man sich nicht immer an dem Besten in der Gruppe habe messen können.
Und weiter: „Wir waren in der Vergangenheit an einigen Stellen zu hierarchie- statt businessplanorientiert, sodass wir unsere eigentlichen Stärken nicht immer vollständig ausspielen konnten.“ Schließlich sei man bei der Kommunikation der Ziele und Herangehensweisen nicht immer konsequent genug gewesen. Ein ehrliches Feedback von Kunden, Marktteilnehmern und Investoren haben einen so nicht immer rechtzeitig erreichen können.
„Das alles hat uns an der ein oder anderen Stelle Wachstum, Profitabilität und vielleicht auch Glaubwürdigkeit gekostet. Aber damit ist jetzt Schluss!“ Wiedenfels versprach höheren Umsatz, reduzierte Kosten, verbesserten Kapitaleinsatz, überlegtere Übernahmen und insgesamt mehr Effektivität und Effizienz. „In Zukunft wird es bei Stada keine lokalen oder regionalen Partikularinteressen mehr geben.“ Details sollen erst im Oktober verraten werden.
Nach Angaben des MDax-Konzerns waren am Freitag 57,05 Prozent des Aktienkapitals bei der Hauptversammlung vertreten. Das war ein Rekord – in den Vorjahren lag der höchste Wert bei 37 Prozent. Beobachter rechneten damit, dass die Chancen für den Verbleib von Abend umso besser stehen, je höher die Beteiligung der Aktionäre an der Hauptversammlung ist.
Retzlaff hatte Anfang Juni seinen Posten als Vorstandschef zunächst krankheitsbedingt ruhen gelassen; Mitte August zog er sich endgültig zurück. Zuvor waren immer mehr Details über sein Netzwerk aus Vertrauten bekannt geworden.
Bis zur vereinbarten Beendigung seines Anstellungsvertrags am 31. Dezember wurde Retzlaff von seinen Pflichten aus dem Anstellungsvertrag freigestellt. Er bekommt sein Gehalt bis zum Jahresende und eine Abfindung; in der Summe wird der Betrag zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten. Erst vor einem Jahr hatte der Aufsichtsrat den Vertrag des Konzernchefs um fünf Jahre bis zum 31. August 2021 verlängert. Retzlaff stand 23 Jahre an der Spitze des Konzerns.