Nach der Übernahme der Teleclinic GmbH durch die DocMorris Muttergesellschaft Zur Rose waren in der Regierungskoalition Stimmen laut geworden, die Jahrhunderte alte Trennung von Verordnung und Abgabe zu verteidigen und dies noch im Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) zu regeln. Dazu sieht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aber keinen Anlass. Es gebe bereits genügend Vorschriften, so das Bundesgesundheitsministerium in einer Stellungnahme. Man werde die Entwicklung aber weiter im Auge behalten.
„Eine weitere Verschärfung der Regelungen, die die freie Apothekenwahl gewährleisten sollen, scheint derzeit nicht zwingend notwendig. Die weiteren Entwicklungen im Apothekenmarkt sind zu beobachten“, so die Stellungnahme des BMG an die Adresse der Gesundheitspolitiker der Koalition, die um eine Bewertung der Übernahme gebeten hatten.
Das Geschäftsmodell Teleclinic beinhalte die Vermittlung von Patienten an einen Arzt, der Videosprechstunden durchführe. Für die Leistungserbringung durch die Ärzte gelten im Rahmen der Videosprechstunde die allgemeinen Vorschriften für die vertragsärztliche Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). „Hierzu gehört insbesondere auch die Wahrung der freien Apothekenwahl (§ 31 Absatz 1 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch)“, so das BMG. Auch durch Verträge zwischen der Teleclinic und einzelnen Krankenkassen dürfe die freie Apothekenwahl der Versicherten grundsätzlich nicht eingeschränkt werden.
Soweit die Teleclinic derzeit außerhalb der GKV Versorgungsangebote unterbreite, die eine Vermittlung von ärztlicher Behandlung und/ oder bestimmten Apotheken zum Gegenstand hätten, handelt es sich um ein privatärztliches Konzept, das allein am Maßstab des Apothekengesetzes, der Apothekenbetriebsordnung und berufsrechtlichen Regelungen zu messen wäre, so das BMG weiter. Die Berufsordnungen der Landesärztekammern in Deutschland geböten übereinstimmend, dass Ärzte ihren Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärzte, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese verweisen dürften. Im Rahmen der Einführung des E-Rezepts mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz seien weitere Regelungen vorgesehen, die eine Zuweisung und ein Makeln von Verschreibungen und eine Beeinflussung der Patientinnen und Patienten zur Inanspruchnahme einer bestimmten Apotheke verhindern sollen. Daher sieht das BMG derzeit keinen Handlungsbedarf.
CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich hatte hingegen schärfere Regeln gefordert, um die Trennung von Verordnung und Abgabe zu sichern: „Hier müssen wir Flagge zeigen und eine Regelung finden.“ Schon kurz nach der Übernahme hatte Hennrich erklärt: „Das müssen wir uns genauer ansehen. Es kann nicht sein, dass unter dem Deckmantel der Digitalisierung die bewährte Trennung der Heilberufe von Arzt und Apotheker ausgehebelt wird.“ Das Edikt von Salerno sei fester Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems. Die Übernahme der Teleclinic durch DocMorris sei daher ein „interessanter Vorgang“.
Womöglich werden daher Gerichte die Angelegenheit prüfen: Apotheker Thomas Grittmann, Inhaber der Park-Apotheke in Miltenberg, geht mit Unterstützung der Noweda gegen die Videosprechstunden von Teleclinic vor. Gemeinsam mit seinem Anwalt Dr. Morton Douglas will er erreichen, dass Teleclinic in Video-Sprechstunden keine Rezepte mehr ausstellen darf, solange keine Möglichkeit besteht, diese Verschreibung auch tatsächlich in jeder Apotheke in Deutschland einzulösen. Zudem wird gefordert, dass den Patienten nicht länger suggeriert wird, die Rezepte könnten bei einer Apotheke seiner Wahl eingelöst werden. Vielmehr fordert er, dass dem Patienten transparent vermittelt wird, dass die verschriebenen Arzneimittel selbst zu bezahlen sind. Auch dies sei bei Teleclinic nicht transparent gekennzeichnet.
Für Zur Rose stellt Teleclinic nach Angaben des Managements einen „strategisch wichtigen Baustein“ im hauseigenen Gesundheitsökosystem dar. Eigentlich hatte DocMorris erst vor einem halben Jahr eine Kooperation mit dem Konkurrenten Kry vereinbart – da eine Übernahme des schwedischen Branchenpioniers nicht infrage kam, musste Zur Rose das Pferd wechseln. Entsprechend großzügig bemessen war der Kaufpreis von 43,5 Millionen Euro – 38,6 Millionen Euro zahlte Zur Rose in bar, den Rest in Aktien.
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