In den letzten Jahrzehnten hat sich die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) um Apotheken- und Praxisfinanzierungen und um die Finanzgeschäfte ihrer Klientel gekümmert. Angesichts der rasanten Digitalisierung im Gesundheitsmarkt stellt sich die Bank jetzt neu auf: Mit Dienstleistungen rund um die Heilberufe will die Apobank ihre Zukunft sichern. Dazu wurde unter dem Namen Naontek eine neue Gesellschaft für Onlineangebote gegründet. Losgehen soll es mit der Vermittlung von Fort- und Weiterbildungen. Ausweiten könnte die Apobank darüber aber auch ihr Rezeptabrechnungsgeschäft.
Auf der Vertreterversammlung kündigte Vorstandschef Ulrich Sommer einen grundlegenden Umbau an: Hintergrund sind die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase mit sinkenden Margen im Bankgeschäft und neue digitale Angebote. „Es geht um die grundlegende Frage der Daseinsberechtigung für Banken“, sagte Sommer. Einige Studien gingen sogar davon aus, dass von den etwa 1600 Banken in Deutschland in den nächsten 10 bis 15 Jahren nur 150 bis 300 überleben würden – da ihr Geschäftsmodell wegbrechen werde, sie nicht wirtschaftlich arbeiteten oder andere Marktteilnehmer sie schlicht verdrängen würden. „Banken sind schon lange nicht mehr unangefochtener Herrscher über ihre Kundenschnittstellen“, so Sommer.
Die Bankenbranche befinde sich aktuell in einem enormen Veränderungsprozess, „den es in dieser Form für dieses Gewerbe noch nie gegeben hat“. Sommer: „Wer morgen noch da sein will, muss sich heute neu definieren und einen individuellen Wettbewerbsvorteil für sein Haus entwickeln, der natürlich auch in Zukunft Bestand haben sollte. Dazu braucht es Innovationsfähigkeit, aber auch eine Basis, die es erlaubt, mit Mut und Weitsicht den eigenen Markenkern zu schärfen.“ Daher werde die Apobank neue Lösungen zum Nutzen der Heilberufler entwickeln. Bereits zu Jahresbeginn hatte Sommer die Gründung einer Internetplattform angekündigt, auf der die Apobank Dienstleistungen anbieten will. Jetzt wurde Sommer konkreter. Entstehen soll eine „zweite strategische Säule Non-Banking“.
Gegründet wurde dazu vor wenigen Monaten die Firma Naontek. Diese Gesellschaft verfolgt laut Sommer das Ziel, Lösungen zum Nutzen der Heilberufler zu entwickeln und umzusetzen. Als erstes werde Naontek eine digitale Plattform für den Gesundheitsmarkt aufzubauen. Die Plattform soll als zentrale Anlaufstelle im Gesundheitsmarkt aufgebaut werden und sich zu einem „unabhängigen Vermittler von allen relevanten Produkten und Dienstleistungen für Heilberufler entwickeln“. Diese Plattform werde Unternehmen im Gesundheitsmarkt, Standesorganisationen, Vermittlern und anderen Netzwerk-Anbietern zur Verfügung stehen. „Ihnen wird die Möglichkeit gegeben, hier ihre Produkte digital zu präsentieren und abzuwickeln“, so Sommer.
Am 1. Juli startet Univiva, so heißt die Plattform, mit einem ersten Angebot, der Vermittlung von Fort- und Weiterbildungsaktivitäten für Heilberufler. Viele weitere Dienstleistungen und Produkte sollen folgen. Ziel sei, die Plattform als „One-Stop-Shop“ für Dienstleistungen im Gesundheitsmarkt zu etablieren und Heilberuflern zukünftig „alles, was sie zu ihrer Berufsausübung benötigen, auf dieser Plattform anzubieten“.
Was genau darunter zu verstehen ist, ließ Sommer auch auf der Vertreterversammlung noch offen. In der Branche aber wird darüber spekuliert, das Rezeptabrechnungsgeschäft in die Platform zu integrieren. Bekanntlich hält die Apobank einen maßgeblichen Anteil am Apothekenrechenzentrum ARZ Haan. Beteiligt ist die Apobank zudem am Abrechnungsdientleister Dr. Güldener.
„Wir sind sicher, mit der Vermittlung von Dienstleistungen und Produkten Erträge über die Tochtergesellschaft generieren zu können, und schaffen zusätzlich komplementäre Mehrwerte zu den von uns angebotenen Finanzprodukten“, begründete Sommer seine Pläne. Mit der Einführung des E-Rezepts steht die Abrechnungsbranche in den kommenden Jahren vor einem Umbruch. Nach und nach wird das aufwändige Handlung der Papierrezepte entfallen. Das E-Rezept gleicht dann einem Scheck.
In den Abrechnungsmarkt drängen bereits neue Akteure: So kündigte kürzlich die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) an, die Rezeptabwicklung zu revolutionieren. In Zusammenarbeit mit dem Start-up Scanacs startet jetzt ein neues Tool, das im ersten Schritt den Zuzahlungsstatus der Patienten prüft.
Die SBK will darüber später die vollständige Kommunikation und Abrechnung mit den Apotheken laufen lassen. „Ziel ist, dass es kein Apothekenabrechnungszentrum mehr gibt“, so Christian Nitsche, Fachexperte Prozessautomatisierungsmanagement von der SBK gegenüber APOTHEKE ADHOC. Auch Retaxationen will die SBK auf diesem Wege weitgehend ausschließen.
Aus Sicht der Kasse werden damit die heutigen Abrechnungsdienstleister überflüssig. Auch die direkte Rezeptabrechnung ohne Zwischenschaltung eines Apothekenrechenzentrums hält Nitsche in relativ kurzer Zeit für machbar: Das könne ab 2020 starten, auf jeden Fall, aber mit bundesweiten Einführung des E-Rezepts. Vorteile für die Krankenkassen durch die Direktabrechnung sieht Nitsche in der besseren Finanzplanung. „Wir kennen dann sofort die Höhe der Arzneimittelausgaben.“
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