Erst Apotheker, dann Bonbonkocher Patrick Hollstein, 06.02.2015 09:47 Uhr
Am Anfang stand die Ablehnung: Eigentlich wollte sich Dr. Carl Soldan in
Nürnberg mit einer eigenen Apotheke selbstständig machen. Doch die
Konzession wurde ihm versagt, also eröffnete er im Juli 1899 eine
Medizinaldrogerie. Bald überraschte er seine Kundschaft mit selbst
entwickelten Produkten – und machte sich als „Bonbonmacher“ einen Namen.
Heute ist das in vierter Generation geführte Unternehmen Marktführer in
Apotheken und ist in der Drogerie die Nummer 2.
Carl August Otto Soldan wird 1871 in München geboren. Er studiert Pharmazie in Erlangen, 1895 bekommt er die Approbation. Nachdem sich der Traum von der eigenen Apotheke zerschlagen hat, stürzt sich Soldan ganz ins Drogerie- und Parfümeriegschäft. Im Ladenlokal am Hefnersplatz werden Fachartikel verkauft, in einem Hinterhofgebäude rollen bald die ersten Bonbons vom Band.
Anfang des 20. Jahrhunderts kreiert Soldan die erste Bonbonrezeptur mit Menthol und Eukalyptus. 1923 wird der Name Em-eukal – Em für Menthol, eukal für Eukalyptus – eingeführt, zwei Jahre später wird die Marke eingetragen. 1929 kauft Soldan einen Lebkuchen- und Süßwarenhersteller; nach dem Umbau des Firmengebäudes verlegt er auch die Bonbonproduktion an den Standort in der Herderstraße.
Nach dem Tod des Firmengründers übernimmt 1931 dessen Sohn Hermann mit 28 Jahren die Verantwortung. Er gründet eine hauseigene Druckerei – dadurch ist er in der Lage, die Namen der Apotheken und Drogerien, die seine Produkte verkaufen, auf den Tüten zu platzieren. Außerdem baut er die Süßwarenproduktion aus, 1932 kommt die Marke aecht Bayrischer Blockmalz auf den Markt. Die Bonbons werden noch heute über offenem Feuer gekocht und in Stücke geschlagen.
Nach dem 2. Weltkrieg wird die Produktion 1948 wieder aufgenommen. Überregional kommt der Durchbruch in den 1950er Jahren: Das Unternehmen sichert sich im Ruhrgebiet einen wichtigen Lieferauftrag: Ärzte verschreiben den Bergleuten Bonbons von Em-eukal gegen Bronchialbeschwerden. Neben den Inhaltsstoffen überzeugt die Verpackung: Die weiß-roten Fahne, deren Ende aus dem Bonbonpapier herausragt, sichert ein hygienisches Auswickeln und wird zum Alleinstellungsmerkmal. Heute ist die Fahne einzigartiges Erkennungszeichen von Em-eukal: „Nur echt mit der Fahne.“
1960 reichen die Produktionskapazitäten nicht mehr aus. Im fränkischen Adelsdorf erwirbt Soldan freies Land inklusive eigener Wasserquelle. Dort wird im Flachbau ein neuer Produktionsstandort mit modernster technischer Ausstattung errichtet. Die Produktion zieht um, 1962 erhält die Firma die Herstellungserlaubnis gemäß des Arzneimittelgesetzes.
1972 kommt Kinder Em-eukal auf den Markt. Felix Soldan, Enkel des Firmengründers, hat während eines Auslandsaufhalts in den USA erkannt, dass die Geschmacksrichtung „Wildkirsche“ en vogue ist. Acht Jahre später übernimmt er nach dem Tod seines Vaters in dritter Generation die Führung des Unternehmens – und beginnt damit, einzelne Familienmitglieder aus dem Gesellschafterkreis auszubezahlen. 1989 kommen die ersten zuckerfreien Bonbons ins Sortiment, 2003 werden unter der Marke „Apothekers Bärengarten“ außerdem Fruchtsaftbären eingeführt. Die Traubenzucker der Marke Tex-Schmelz gibt es bereits seit 1976.
2005 übernimmt Perry Soldan mit 37 Jahren die Verantwortung. Er führt den Kurs seines verstorbenen Vaters weiter und gibt 2004 die Parfümerien in Nürnberg und 2007 die Druckerei auf. „Wir sind Bonbonkocher, das ist unser Vermächtnis und der Wert unserer Familie“, sagt er. Den letzten Scheck für die Verwandtschaft hat er 2007 ausgestellt, heute ist er gemeinsam mit einer Tante Alleininhaber des Unternehmens.
2008 bringt Soldan seine Marken auch in den Lebensmitteleinzehandel. „Wachstum findet in unserem Bereich nur über Verdrängung statt“, erklärt Soldan den Schritt. „Große Anbieter, für die das Apothekengeschäft bislang viel zu umständlich war, drängen zunehmend in diese ‘Nische’. Deshalb müssen auch wir neue Wege gehen.“ Heute macht der Bereich – analog zu Apotheken und Fachhandel – rund ein Drittel des Bruttoumsatzes von 72 Millionen Euro aus. Soldan ist außerdem als Auftragshersteller für „therapeutische Bonbons“ aktiv.
Rund 200 Mitarbeiter arbeiten in Produktion und Verwaltung, die seit dem Umzug des Managements von Nürnberg nach Adelsdorf im vergangenen Jahr erstmals seit 57 Jahren wieder unter einem Dach angesiedelt sind. 2012 holt sich Soldan mit Christian Klebl einen Manager von Wrigley/Mars in die Geschäftsführung. Klebl verantwortet vor allem die Bereiche Vertrieb, Marketing und Internationale Expansion und behält gemeinsam mit Soldan die strategische Ausrichtung im Blick. Gerade wurde in den Produktionshallen eine neue Maschine aufgestellt: 2013 hat Soldan von Dermapharm die Lakritzmarke Rheila erworben, die künftig ebenfalls in Adelsdorf hergestellt wird.