DocMorris-Arzneimittelautomat

So funktionierte Hüffenhardt Patrick Hollstein, 13.05.2019 09:34 Uhr

Berlin - 

Zwei Jahre ist es her, dass DocMorris im baden-württembergischen Hüffenhardt mit einem Abgabeautomaten für Arzneimittel für Schlagzeilen sorgte. Der Spuk war ziemlich schnell vorbei, Aufsichtsbehörde, Apothekerverband und mehrere Apotheker gingen gegen das Konstrukt vor. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe musste sich im Verfahren mit den Details befassen, die Richter nahmen das Modell sogar vor Ort unter die Lupe. In ihrem Urteil führen sie genau auf, wie das Terminal organisiert war.

Ladenlokal
Gemietet wurden die Räumlichkeiten der ehemaligen Brunnen-Apotheke in Hüffenhardt von einem Unternehmen namens Tanimis. Die DocMorris-Schwesterfirma zeigte das Arzneimittellager mit 8000 häufig benötigten Präparaten gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe an. Tatsächlich standen die Medikamente während der Lagerung im Eigentum eines namentlich nicht genannten deutschen Großhändlers, der die Ware zunächst nach Heerlen transportierte, wo sie vor dem Transport nach Hüffenhardt einer stichprobenartigen Kontrolle unterzogen wurden.

Einrichtung
Im Hauptraum befanden sich ein Schreibtisch und eine Sitzgruppe bestehend aus einem Tisch und vier Stühlen. Das mit einer Tür verschließbare Beratungszimmer war unter anderem mit einem Schreibtisch, auf dem sich ein Bildschirm, eine Tastatur, ein eingebauter Scanner und eine Webcam befanden, ausgestattet. Hier befanden sich außerdem ein Bezahlterminal, ein Drucker, das Arzneimittelabgabeterminal und eine Waage. Sämtliche Betriebsmittel und Einrichtungsgegenstände standen im Eigentum von Tanimis.

Personal
Vor Ort waren sogenannte „Welcome Manager“ für den Betrieb zuständig. Dabei handelte es sich um Angestellte von Tanimis ohne pharmazeutische Ausbildung. Ihnen oblag der direkte Kundenkontakte genauso wie die organisatorische Abwicklung. So mussten sie die gesammelten Kundenbögen und Rezepte abends aus der Sammelbox nehmen und in einem Tresor verwahren, bis sie später nach Heerlen geschickt wurden.

Während der Beratung im abgetrennten Raum waren sie grundsätzlich nicht anwesend, diese fand via Bildschirm und Webcam über das Internet mit aus Heerlen zugeschalteten PTA oder Apothekern von DocMorris statt.

Lagerung
Nach dem Transport nach Hüffenhardt durch den Großhändler wurden die Arzneimittel durch den „Welcome Manager“ einzeln abgescannt und mithilfe eines Kommissionierautomaten eingelagert. Der „Welcome Manager“ gab bei der Einlagerung das Verfallsdatum des jeweiligen Medikaments ein und überwachte, dass dieses mehr als ein Jahr beträgt. Ein Apotheker aus Heerlen führte regelmäßig über das Internet eine Verfallsdatenkontrolle durch. Hierbei generierte er eine Liste der in Hüffenhardt eingelagerten Arzneimittel und lagerte über das Internet solche aus, deren Verfallsdatum weniger als sechs Monate betrug. Die betroffenen Schachteln fielen über einen Ausgabeschacht in eine Box, die der „Welcome Manager“ dort zuvor platziert hatte. Die zu retournierenden Artikel wurden in Hüffenhardt so zwischengelagert, dass sie einem Zugriff durch den Abgabeautomaten entzogen waren, und im Anschluss an den Großhändler zurückgeliefert.

Beratung
Der Kunde wurde im Hauptraum des Gebäudes durch einen „Welcome Manager“ in Empfang genommen. Dieser erläuterte ihm den technischen Prozess und führte ihn in das Beratungszimmer, wo der Kunde vor dem ersten Bestellvorgang eine Einverständniserklärung ausfüllen musste: Unter Angabe von Name, Anschrift, Geburtsdatum und Telefonnummer beantragte er, bei Bedarf unterstützt vom „Welcome Manager“, die Einrichtung eines Kundenkontos zur Nutzung des „DocMorris-Vertriebswegs mittels des Arzneimittelausgabeterminals“ und gab sein Einverständnis zur Erhebung, Speicherung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten. Die Einverständniserklärung enthielt den Hinweis, dass die „Geschäftsbeziehung“ mit DocMorris zustande komme.

Mithilfe des im Schreibtisch eingebauten Scanners musste der Kunde die Datenschutzerklärung einlesen; diese konnte anschließend durch den „Videoberater“ in elektronischer Form eingesehen werden. Das Original fiel in ein verschlossenes Fach unterhalb des Tisches, auf dem der Bildschirm stand und das abends durch den „Welcome Manager“ geleert wurde. Kunden, die das Terminals nicht zum ersten Mal nutzten, musste gegenüber dem „Videoberater“ ihren Namen, Anschrift und Geburtsdatum angeben.

Der „Videoberater“ führte nun mit dem Kunden ein Beratungsgespräch über seine Beschwerden und Anliegen. Der Kunde konnte entweder sein Rezept einscannen – das Original wurde dann ebenfalls im Fach unterhalb des Schreibtisches verwahrt – oder ein rezeptfreies Medikament verlangen. Der „Videoberater“ gab den gewünschten Artikel in das System ein und prüfte die Verfügbarkeit im Lager.

Abgabe
Der in dem Beratungszimmer stehende Arzneimittelabgabeautomat konnte direkt auf das Arzneimittellager zugreifen. Befand sich der Artikel im Lager, wurde zunächst per Scanner geprüft, ob die Pharmazentralnummer (PZN) auf dem durch den „Videoberater“ freigegebenen Auftrag mit der PZN auf der Packung übereinstimmte. Per Sichtkontrolle mithilfe eines „Livebildes“ von oben kontrollierte der „Videoberater“ im Anschluss, ob die auf dem Förderband liegende Packung dem Auftrag entsprach. Gab der „Videoberater“ die Bestellung frei, wurde das Medikament auf einem Förderband weiterbefördert. Hier fand eine weitere Sichtkontrolle von oben per Videokamera statt, bei der der „Videoberater“ das Medikament aktiv freigegeben musste. Das Medikament befand sich zu diesem Zeitpunkt für den Kunden sichtbar hinter einer Glasscheibe in dem Abgabeterminal.

An dem neben dem Schreibtisch befindlichen Bezahlterminal konnte der Kunde per EC-Karte oder in bar bezahlen. Das Medikament wurde dann von einem sich in dem Abgabeterminal befindenden Drucker mit einem Label versehen, das den Namen des Kunden und die Dosieranweisung enthielt, soweit eine solche durch den Arzt vermerkt wurde. Mit der Labelung erwarb zunächst DocMorris das Eigentum an den Arzneimitteln. Anschließend erfolgte die Abgabe des Medikaments und Eigentumsübertragung an den Kunden, indem das Medikament auf dem Förderband weiterbefördert wurde und in einen Ausgabeschacht fiel.

War das gewünschte Arzneimittel nicht vorrätig, konnte der Kunde es entweder bestellen und in die Räumlichkeiten in Hüffenhardt liefern lassen. Mit einem Abholschein konnte er das Medikament dann ein paar Tage später in den Räumlichkeiten am Abgabeterminal abholen. Eine Lieferung nach Hause war nicht möglich. Alternativ konnte der Bestellvorgang abgebrochen werden, in diesem Fall wurde das Rezept mittels der eingebauten Ausgabevorrichtung wieder freigegeben.

Über den Drucker im Beratungszimmer konnte der „Videoberater“ dem Kunden Informationen etwa zu Nebenwirkungen zukommen lassen. Die Waage konnte der Kunde im Rahmen einer Gewichts- und Ernährungsberatung durch den „Videoberater“ verwenden.