Gericht: Skonto kann tödlich sein Alexander Müller, 30.06.2016 12:36 Uhr
Die Einkaufskonditionen der meisten Apotheken beim Großhandel sind aus Sicht des Oberlandesgerichts Bamberg (OLG) unzulässig. Denn Rabatt und Skonto dürften zusammen nie mehr als 3,15 Prozent betragen, entschied das Gericht gestern im Streit zwischen der Wettbewerbszentrale und dem Großhändler AEP. Ansonsten sei die flächendeckende Versorgung in Gefahr.
AEP gewährt Apotheken 3 Prozent Rabatt und 2,5 Prozent Skonto. Die Wettbewerbszentrale sieht darin einen Verstoß gegen die Preisbindung und hatte den Großhändler im Dezember 2014 abgemahnt und Mitte März 2015 verklagt. Das Landgericht Aschaffenburg hatte im Oktober zugunsten von AEP entschieden. Das OLG hat der Berufung der Wettbewerbszentrale in vollem Umfang stattgegeben. Wie aus den APOTHEKE ADHOC vorliegenden Urteilsgründen hervorgeht, sind Skonti aus Sicht des OLG „nichts anderes als eine besondere Art des Preisnachlasses“.
Im Verfahren ging es im Wesentlichen um drei Fragen:
- Dürfen Großhändler aus ihrer Fixpauschale von 70 Cent Rabatte gewähren?
- Sind Skonti wie Rabatte zu behandeln?
- War die Klage der Wettbewerbszentrale in diesem Fall rechtsmissbräuchlich, weil – wie AEP behauptet – andere Großhändler dahinter stecken könnten?
In Kurzform: Die 70 Cent müssen die Großhändler aus Sicht des OLG zwingend erheben, Rabatte aus der Fixpauschale sind demnach unzulässig. Dabei setzt das OLG Skonto und Rabatt gleich, da sich das Rabattverbot ansonsten umgehen ließe. Daraus folgt, dass die Maximalkondition den Richtern zufolge 3,15 Prozent beträgt. Wie das LG Aschaffenburg hatte auch das OLG zudem keine Probleme mit der Klage der Wettbewerbszentrale.
Ausführlich wurde in beiden Instanzen über den Wortlaut der Preisvorschriften und den vermuteten Willen des Gesetzgebers gestritten. Konkret geht es um § 2 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Demnach „darf“ der Großhändler auf den Abgabepreis des Herstellers „höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer“ erheben. Den Festzuschlag sieht das OLG laut Urteil „als Fixum an, der durch keine Art von Preisnachlass reduziert werden darf, sondern stets zu erheben ist“.
Anders als das Landgericht in der Vorinstanz geurteilt hatte, sehe das Gesetz durchaus eine „Untergrenze“ vor, so das OLG. Das Wort „darf“ in der AMPreisV beziehe sich nur auf den prozentualen Zuschlag, Festzuschlag und Umsatzsteuer seien sprachlich mit dem Wort „zugüglich“ davon getrennt. Zudem sei das Wort „Festzuschlag“ eindeutig, denn ansonsten hätte der Gesetzgeber das Honorar einfach als „Zuschlag“ bezeichnet.
Das OLG zitiert aus einem Entwurf zum AMNOG, mit dem die Großhandelsvergütung umgestellt wurde. Demnach sei der preisunabhängige Bestandteil „nicht rabattfähig“. Ziel des Festzuschlags sei, „dass der Großhandel eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken sicherstellen kann“. Der prozentuale Zuschlag gewährleiste „einen gewissen Spielraum bei der Preisgestaltung“, zitiert das OLG aus dem Entwurf. Das ist aus Sicht der Richter eindeutig.
Das OLG ist ferner überzeugt, dass Skonto und Rabatt gleich zu behandeln sind. Die Apotheker hätten keinen gesetzlichen Anspruch auf Skonto, es handele sich nur um eine vertragliche Vereinbarung mit ihrem Großhändler. Damit sei es Teil der Preisgestaltung, eben eine „besondere Art des Preisnachlasses“. Das OLG zitiert in diesem Zusammenhang das Rabattgesetz, das zwar den Begriff des Rabatts definiert, allerdings seit Juli 2001 außer Kraft ist.
Letztlich entscheidend für das OLG ist das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der flächendeckenden Arzneimittelversorgung. Dieses sei mit dem Festzuschlag nur zu erreichen, wenn dieser nicht „angetastet“ werde, auch nicht von Skonti. Die Gewährung von Skonti könnte dagegen den Wettbewerb unter den Großhändlern im Bereich des Festzuschlags eröffnen, so das OLG.
Das hätte laut Urteil zur Folge, dass sich die Belieferung von Apotheken punktuell als nicht mehr lukrativ erweisen würde und nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erfolgen würde. Die Konkurrenzfähigkeit kleinerer Apotheken würde damit beeinträchtigt, „was zu einer Ausdünnung der Apotheken und damit zu einer Versorgungsbeeinträchtigung führen könnte“. Damit würde laut Urteil genau das eintreten, was der Gesetzgeber verhindern wolle.
Fazit: Aus Sicht des OLG ist „jegliche Preisgestaltung des Großhändlers unzulässig, die zur Folge hat, dass der Abgabepreis die Summe von Herstellerpreis, Festzuschlag von 0,70 Euro und Umsatzsteuer unterschreitet“. Sofern AEP meine, die 70 Cent pro Packung nicht zu benötigen, sei das unerheblich, entscheidend sei der Wortlaut des Gesetzes.
Das OLG hat – wie bereits in der mündlichen Verhandlung angekündigt – Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Die Rechtsfrage sei noch nicht höchstrichterlich geklärt. Angesichts der möglichen Auswirkungen auf die Allgemeinheit mit Blick auf die Versorgungsdichte habe die Klärung auch über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
AEP hat bereits angekündigt, in der Sache den Gang nach Karlsruhe anzutreten. Auch die Wettbewerbszentrale begrüßt eine endgültige Klärung vor dem BGH.