Mit dem Beginn der Industrialisierung nahm das Informationszeitalter seinen Anfang an. Der Mensch hat sein Leben nach den Maschinen ausgerichtet. Heute stellt die Digitalisierung altbewährte Prinzipien infrage. „Mit alten Regeln kann man schwer neue Phänomene erfassen“, sagt Wirtschaftshistoriker Professor Dr. Klemens Skibicki bei der Digitalkonferenz VISION.A. Die digitale Transformation ist in seinen Augen mehr Kopf- als Techniksache. „Fragen Sie mal einen 15-Jährigen, wie lange er am Tag online ist. Der versteht die Frage nicht“, so Skibicki.
Skibicki ist Professor für Economics, Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School in Köln. Er ist seit 2013 Kernmitglied des Beirates „junge digitale Wirtschaft“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und wurde zudem in den Digitalbotschafter-Kreis des Wirtschaftsministers Nordrhein-Westfalen berufen. Dass der digitale Wandel für die Menschen eine große Herausforderung ist, ist dem Experte zufolge auf die „DNA, Struktur und Kultur“ zurückzuführen, die noch auf „Industrie“ programmiert sei.
„Unsere alten Regeln sind das Problem“, sagt Skibicki. So würde es in Deutschland immer um physische Dinge gehen, während es bei erfolgreichen Unternehmen im Ausland anders aussehe: „Amazon, Alibaba etc. haben nichts mehr mit physisch zu tun“. Auch sei der Schwerpunkt ein anderer: In Deutschland heißt es „Produkt first“ in den USA dagegen „People first“. Die derzeitige Struktur soll seiner Ansicht nach überdacht werden.
Die Kernfrage laute: „Welche Prozesse, die vorher in Wertschöpfungsketten, Hierarchien und Push-Kommunikation getätigt wurden, können effizienter über digitale Kanäle ins Netzwerk verlagert werden?“ Beispielsweise würden Uber und Airbnb dieses Outsorcing für ihre Unternehmen nutzen. Skibicki legt nahe, dass der Mensch immer hinterfragen soll, ob das, was er heute macht, auch das Beste ist.
Um mit der digitalen Transformation zu gehen, sollten Geschäftsmodelle dem Experten zufolge angepasst werden. Mehr Zuhören und Dialog laute die Devise. Hier sollten die Prinzipien der Netzwerkökonomie berücksichtigt werden: maximale Einfachheit, Nutzerzentrierung und Konvergenz.
Außerdem sollten mehr „Stakeholder“ und damit übersetzt auch Apothekenkunden und Mitarbeiter in das Geschehen eingebunden werden. Denn die größere „Nähe“ zu diesen ermögliche bessere Entscheidungen „entlang der gesamten Wertschöpfungskette, in den Augen der Kunden.“ Aber es gebe keine Digitalisierungsstrategie, „es gibt nur eine Unternehmensstrategie für das digital vernetzte Zeitalter“, sagt Skibicki.
Die Kunden sollten sowohl „online“ und „offline“ angesprochen werden – das sei „mehr ein sowohl als auch“ als „entweder oder“. Denn Datenkompetenz gepaart mit Empathie werde der Schlüsselfaktor sein. Und auch der Begriff „vor Ort“ müsse laut Skibicki neu definiert werden. Mit Social Media könne man viele Menschen erreichen, „wir müssen zuhören“, fordert er. Und dies könnten wir heute wie nie zuvor. „Man muss herausfinden, was die Menschen interessiert.“ So könne man als Apotheker auch besser Empfehlungen aussprechen. Dies sei wichtig, denn Kunden würden am liebsten Dinge kaufen, die ihnen empfohlen werden. „Social“ sei deshalb kein Kanal, sondern ein Grundprinzip.
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