Erkältungsmittel

Sinupret: Ratte reicht nicht APOTHEKE ADHOC, 07.12.2017 09:14 Uhr

Berlin - 

Die Fachinformation eines Arzneimittels soll den Ärzten und Apothekern Hinweise für eine sichere Anwendung des Präparats geben. Sie darf darum nicht um Angaben erweitert werden, die vielleicht wissenschaftlich interessant, für die Anwendung aber ohne Relevanz sind. Das entschied das Verwaltungsgericht Köln (VG). Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gaben die Richter Hausaufgaben auf.

Im konkreten Fall ging es um Sinupret-Saft von Bionorica. Der Phytohersteller wollte die gesetzlich vorgesehene Verlängerung der Zulassung nutzen, um die Fachinformation um einige Angaben zu erweitern. Dabei handelte es sich um präklinische Untersuchungen an Ratten und Kaninchen sowie um In-vitro-Studien an Mäusen. Das BfArM lehnte die Erweiterung und auch den darauf folgenden Widerspruch von Bionorica ab. Der Hersteller reichte daraufhin Klage ein.

Die Angaben zu den in Tiermodellen beobachteten pharmakodynamischen Effekte hätten allenfalls mittelbaren Bezug zur Anwendung am Menschen, urteilte das Gericht. Außerdem seien die Untersuchungen mit Dosierungen durchgeführt worden, die beim Menschen nicht erreicht werden.

Bionorica investiert viel in die Erforschung seiner Präparate. Im konkreten Fall zeigte Sinupret-Saft in zwei Tiermodellen an der Ratte beziehungsweise Kaninchen eine sekretolytische Wirkung sowie einen anti-inflammatorischen Effekt bei akuten Entzündungen (Carrageen-induziertes Pfotenödem und Carrageen-induzierte Pleuritis). In vitro-Studien an Zellen des respiratorischen Epithels sowie Studien in der Maus zeigten zudem eine Aktivierung des Chloridionentransports; auch wurde die ziliäre Schlagbewegung beschleunigt. Beides weist laut Bionorica auf eine Aktivierung der mukoziliären Clearance hin.

Darüber hinaus hemmte der Saft in vitro die Replikation relevanter Atemwegsviren wie humanes Rhinovirus, Adenovirus, Parainfluenza, respiratorisches Syncytialvirus und Influenza A, wo zusätzlich das Enzym Neuraminidase inhibiert wurde. In vivo bewirkte der Extrakt eine Verringerung der Mortalitätsrate von Mäusen nach Infektion mit dem Parainfluenzavirus. In-vitro-Experimente belegen laut Hersteller ebenfalls eine anti Wirksamkeit gegen relevante respiratorische Bakterien wie Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae.

All diese Beobachtungen aus präklinischen Studien wollte der Hersteller in die Fachinformation aufnehmen. In einer Stellungnahme an das Gericht räumte Bionorica ein, dass kein Tiermodell der viral-induzierten Rhinosinusitis verfügbar sei und darum auf andere Parameter zurückgegriffen werden müsse wie Sekretolyse, Entzündungshemmung, Überlebensrate beziehungsweise Pathologie nach viraler und bakterieller Infektion. Ein Bezug zur Anwendung bei humaner Rhinosinusitis sei damit umso schwerer herzustellen, so das Gericht.

Zahlreiche konkurrierende Hersteller würden präklinische Studien in ihren Fachinformationen nutzen, ohne dass das BfArM hiergegen eingeschritten sei, argumentierte Bionorica weiter. In diesem Punkt gab das VG der Klage teilweise statt.

Das BfArM habe Bionorica ungleich behandelt, so das VG weiter. Der Behörde fehle es an einem „systemgerechten“ Vorgehen; wie genau dies aussehen solle, überließen die Richter dem BfArM. Ein Problem, mit dem sich das BfArM auf der Suche nach „Systemgerechtigkeit“ beschäftigen müssen wird: Seit 2005 müssen Hersteller ihre Zulassungen nicht mehr regelmäßig alle fünf Jahre erneuern lassen, sondern nur einmalig.

Viele Präparate dürften damit keine Verlängerung mehr brauchen, was am Ende zu unterschiedlichen Angaben führt. Ein Beispiel sind die Prospan-Brausetabletten, die nach einem Rechtsstreit eine andere Indikation haben als der Rest des Portfolios oder vergleichbare Produkte anderer Hersteller.

Bionorica kann nun einen neuen Text für den Abschnitt „pharmakodynamische Eigenschaften“ der Fachinformationen einreichen, den das BfArM bewerten muss. Die in Frage stehenden Texte sind allerdings in der eingereichten Form nicht genehmigungsfähig. „Für uns ist das ein sehr salomonisches Urteil“, sagt Dirk Lude, der seit Mai neuer Kommunikationschef des Unternehmens ist. „Das BfArM muss nun die Gleichbehandlung aller sicherstellen.“ Der Hersteller will nicht in Berufung gehen, sondern auf das neue Konzept der Behörde warten.