Wachstum ist die Währung an der Börse, doch diesbezüglich hat Shop Apotheke aktuell nicht viel Positives zu vermelden. Zumindest in Deutschland scheint der Zenit erst einmal erreicht zu sein. Ohne das E-Rezept wird es schwer, an die Erfolge aus der Vergangenheit anzuknüpfen – zumal es mittlerweile ganz neue Konkurrenz gibt.
Wenn der Vorstand eines Unternehmens seine aktuellen Umsatzzahlen plötzlich mit dem vorangegangenen Quartal statt dem des Vorjahres vergleicht, sollte man hellhörig werden. So geschehen bei Shop Apotheke: „Umsatz- und Kundenwachstum im vierten Quartal deutlich beschleunigt“, vermeldet der Versender und meint damit eigentlich, dass es besser gelaufen ist als in den drei Monaten zuvor.
Bei näherer Betrachtung sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache: Die Erlöse wuchsen zwar im Gesamtjahr um 9,5 Prozent auf 1,06 Milliarden Euro – angepeilt waren aber ursprünglich 20 Prozent, dann 15 Prozent und zuletzt noch 10 Prozent. Es fehlen also streng genommen 5 Millionen Euro selbst zur gekürzten Prognose. Vor allem aber: Zwei Drittel des Umsatzwachstums von 92 Millionen Euro steuerte das Ausland bei. In Deutschland/Österreich als wichtigstem Segment legten die Verkäufe gerade einmal um 3,9 Prozent zu. Und hier war auch nur der Jahresauftakt wirklich positiv, danach ging es teilweise sogar bergab:
Während das erste Halbjahr also noch ein Wachstum von 9,7 Prozent aufwies, waren die Erlöse im zweiten Halbjahr um 1,5 Prozent rückläufig. Diese Entwicklung hat zwei wesentliche Ursachen: Zunächst war man in Sevenum konfrontiert mit „Kapazitätsengpässen in der Auftragsabwicklung im Zusammenhang mit einer angespannten Arbeitsmarktsituation, welche sich im Laufe des zweiten Quartals deutlich abzeichnete“. Diese seien aber „ein temporäres und isoliertes Ereignis, das die zukünftigen Wachstumsperspektiven nicht beeinträchtigt“, hieß es im Juli.
Und dann war da noch das Problem im Rx-Geschäft: Um 35 Prozent auf 143 Millionen Euro gingen die Umsätze in diesem Bereich zurück. Weil Rx-Boni Ende 2020 verboten wurden, schickten weniger Kund:innen ihre Rezepte ein – 76 Millionen Euro fehlten im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig ließ das E-Rezept auf sich warten. Die Absage der verpflichtenden Einführung kommt für Shop Apotheke einer Katastrophe gleich.
Im nicht verschreibungspflichtigen Bereich gehen zwar zwei Drittel des Wachstum von 170 Millionen Euro auf den Kernmarkt zurück, der entsprechend um 18 Prozent auf 704 Millionen Euro zulegte, während das Segment International um 40 Prozent auf 213 Millionen Euro wuchs. Allerdings ist ganz offensichtlich, dass es Shop Apotheke nur mit einer massiven TV-Kampagne gelungen ist, das hohe Umsatzniveau des letzten Quartals 2020 zu halten beziehungsweise sogar leicht zu übertreffen und zumindest in die Nähe der letzten Prognose zu kommen.
Finanzvorstand Jasper Eenhorst räumt dies auch entsprechend ein: „Dank eines beeindruckenden Wachstumsschubs von 21 Prozent vom dritten auf das vierte Quartal haben wir unsere Zielvorgabe für das Gesamtjahr eine Umsatzsteigerung um rund 10 Prozent erreicht. Mit unseren erfolgreichen Marketingaktivitäten ist es uns gelungen, die Zahl der aktiven Kund:innen um 0,5 Millionen auf 7,9 Millionen zu erhöhen. Die Bearbeitung der Aufträge in unserem neuen Logistikzentrum verlief reibungslos. Wir sind bereit für 2022.“
Natürlich kosten solche Initiativen Geld. Zur Entwicklung auf der Ertragsseite machte Shop Apotheke im Rahmen der vorläufigen Zahlen keine Angaben, diese werden erst mit Vorlage des vollständigen Jahresberichts am 2. März veröffentlicht. Nach den ersten neun Monaten stand aber bereits ein Fehlbetrag von 31,7 Millionen Euro in den Büchern, nach 9,5 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum beziehungsweise 16,8 Millionen Euro im Gesamtjahr 2020. Sehr wahrscheinlich wird also der Jahresabschluss ein neues Rekorddefizit aufweisen; 2019 hatte unter dem Strich ein Minus von 36,3 Millionen Euro gestanden. Zuletzt hatte das Management ein bereinigtes Ebitda von minus 1 Prozent angepeilt, also rund minus 11 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatte dieser (rein hypothetische) Wert noch bei plus 21,6 Millionen Euro gelegen.
Doch auch jenseits der hausgemachten Probleme bei der Logistik, der Verschiebungen beim E-Rezept und eventuellen Vorzieheffekten durch Corona steht Shop Apotheke vor weiteren grundsätzlichen Problemen: Denn erschwerend hinzu kommt die neue Konkurrenz durch Lieferdienste wie Mayd, First A oder Kurando (ehemals Phaster). Insbesondere in den Metropolen könnten die Fahrradkuriere für viele Kund:innen eine schnellere Alternative darstellen, sodass der klassische Versandhandel gezwungen wird, mit Werbung oder Preisnachlässen gegenzuhalten. Das gilt auch für den Rx-Bereich – selbst wenn das E-Rezept irgendwann kommt, gibt es für Shop Apotheke & Co. keinen Vorsprung mehr. Aus den einstigen Angreifern könnten dann echte Verteidiger werden.
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