Zu spät, schlecht verpackt oder ungekühlt, obwohl es eigentlich vorgeschrieben ist: Verbraucher klagen im Netz regelmäßig über die Leistungen von Versandapotheken. Besonders hart hat es kürzlich einen Rentner aus dem niedersächsischen Bad Zwischenahn bei Oldenburg erwischt: Er hatte bei Shop-Apotheke Blutdrucksenker und -verdünner bestellt – und Antieptileptika erhalten. Und damit fingen seine Probleme mit dem Versender erst an.
Reinhard Meier* hat Glück gehabt. Denn er ist pensionierter Arzt und kennt sich deshalb mit Arzneimitteln aus. „Einem anderen Kunden wäre das vielleicht gar nicht aufgefallen und er hätte die Medikamente genommen“, sagt er im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC. Und das hätte schlimme Folgen haben können: Er hatte Blutdrucksenker und Blutverdünner bestellt, aber das Antiepileptikum Lamotrigin erhalten. Ganz davon abgesehen, was passieren kann, wenn man unwissentlich Blutdrucksenker und Blutverdünner absetzt, kann auch die unbewusste Einnahme von Lamotrigin schlimme Folgen haben. „Dieses Arzneimittel kann auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass zum Beispiel die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt wird“, heißt es in der zugehörigen Fachinformation.
Umgekehrt wartete 700 Kilometer entfernt jemand vergebens auf sein Antiepileptikum: Der Sendung lag nämlich der Lieferschein eines Kunden in Ingolstadt bei, der das Lamotrigin eigentlich hätte erhalten sollen – womit auch der Datenschutz berührt ist. Doch auch für den falsch belieferten Rentner endete das Ärgernis mit Shop-Apotheke an der Stelle noch längst nicht. Verständlicherweise wollte er wenigstens im zweiten Anlauf die richtigen Arzneimittel – doch das gestaltete sich schwierig.
„Bei der Nachlieferung der eigentlich bestellten Medikamente wurde mir mitgeteilt, dass das Originalpräparat nicht lieferbar ist. Ich würde stattdessen ein Generikum als Ersatz bekommen“, so der 79-Jährige. Am Ende erhielt er doch, was er wollte – aber eben nicht nur das. Meier wurden zwei Pakete zugestellt, eines mit dem eigentlich gewollten Originalpräparat und eines mit einem Generikum. Und für beide Bestellungen buchte Shop-Apotheke das Geld vom Konto des Rentners. Er hatte aber nur ein Rezept, konnte das Medikament also nur einmal von seiner Krankenversicherung erstatten lassen.
Das wollte er natürlich geklärt wissen. Er wandte sich an die Telefonhotline der Shop-Apotheke und biss auf Granit – ein ganzes Jahr lang. So lange ist die Bestellung nämlich mittlerweile her. „Das ist eine 0800er-Nummer. Da können Sie lange warten, bis sich da jemand zurückmeldet“, sagt er. Zwischenzeitlich wandte er sich auf der Suche nach Hilfe sogar an die Apothekerkammer Niedersachsen, „aber weil der Anbieter in den Niederlanden sitzt, konnte man mir dort nicht helfen“, erzählt Meier. „Die wollten, dass ich ihnen alles schicke und sie es dann an das Bundesgesundheitsministerium weiterleiten.“
Ein Apotheker vor Ort müsste sich im Falle einer falschen Abgabe zivil- und berufsrechtlich verantworten. Und die Shop-Apotheke? Die machte sich offensichtlich Sorgen um ihre Außendarstellung. Erst nachdem in der Lokalpresse über den Fall berichtet wurde, wandte sich Chefapothekerin Theresa Holler persönlich an den Rentner. „Sie hat angerufen und sich entschuldigt. Das Unternehmen habe ein neues Vertriebszentrum gebaut, dabei sei es wegen einer Umstellung zu dem Fehler gekommen“, gibt er das Gespräch wieder. Auch habe sie ihn zu einem persönlichen Treffen nach Venlo eingeladen, damit er sich selbst ein Bild von den Anlagen machen kann. „Daran hatte ich aber kein Interesse“, sagt er. Er kenne Holland bereits gut genug.
Außerdem habe ihn die Sorge vor weiteren Auseinandersetzungen dazu bewogen, die Entschuldigung einfach zu akzeptieren. „Ich hatte Angst, dass ich mit denen einen Rechtsstreit in Holland austragen muss. Das will ich mir nicht mehr zumuten.“ Das Thema Versandapotheken ist für ihn damit abgeschlossen – auch wenn er das Konzept an sich nicht infrage stellen wolle. So lange hunderte Apotheken in Deutschland selbst Arzneimittel über angeschlossene Online-Shops verkaufen, dürfe sich die Apothekerschaft eigentlich nicht über die großen Versender aufregen, sagt er. Dennoch: Zukünftig will er sich seine Arzneimittel in der Apotheke vor Ort holen. „Das war Bequemlichkeit und Sparsamkeit, da zu bestellen. Ich selbst habe mir vorher auch nicht klargemacht, dass die in Venlo sitzen. Das tun die wenigsten“, sagt er. „Das ist mit den Versandapotheken wie auf dem Viehmarkt – wer am billigsten bietet, verkauft am meisten.“
* Name von der Redaktion geändert
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