Während der DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose gerade den Rückwärtsgang einlegt und aus Geldnöten seine Aktivitäten in der Schweiz an die Supermarktkette Migros verkauft, ist Shop Apotheke im Heimatland des Konkurrenten ein Coup der Extraklasse gelungen: Der Versender gründet ein Joint Venture mit dem Pharmahändler Galenica – und verschafft sich über dessen Tochter Mediservice den Zugang zum Rx-Geschäft und zur Versorgung von Chronikern. Die Erfahrungen könnten auch für das Geschäft in Deutschland ein entscheidender Vorteil sein.
Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft legen Shop Apotheke und Galenica ihre Aktivitäten in einer gemeinsamen Gesellschaft zusammen. Am Joint Venture wird der niederländische Versender mit 51Prozent und der Pharmahändler mit 49 Prozent beteiligt sein. Die Transaktion steht unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörden.
Beide Versender ergänzen sich ideal. Mediservice ist in der Schweiz die führende Spezialapotheke mit Fokus auf den Versand von rezeptpflichtigen Medikamenten (Rx) und der Betreuung von chronisch kranken PatientInnen. Mit der ehemaligen Europa Apotheek Venlo war Shop Apotheke ebenfalls in dem Bereich aktiv, allerdings ist das Geschäft wegen der Preisbindung hierzulande deutlich schwieriger geworden.
In der Schweiz wiederum ist der OTC-Versand streng reglementiert, was den Markteintritt für Versender wie Shop Apotheke deutlich erschwert. Da auch für nicht verschreibungspflichtige Medikamente stets ein Rezept vorliegen muss, liegt der Fokus auf Gesundheits- und Schönheitsprodukten. Nun soll eine stark wachsende digitale Gesundheitsplattform aufgebaut werden, auf der Verbraucherinnen und Verbraucher von einem umfangreichen Angebot profitieren sollen, das neben freiverkäuflichen Produkten auch rezeptpflichtige Medikamente und Gesundheitsservices umfassen wird.
Mediservice wird die Geschäftsaktivitäten von Shop Apotheke in der Schweiz übernehmen. Gleichzeitig wird Galenica 51 Prozent der Anteile an Shop Apotheke verkaufen, und zwar für 1,2 Millionen Aktien von Shop Apotheke. Dies entspricht einem Wert von 86 Millionen Euro zum volumengewichteten Durchschnittspreis der letzten 20 Handelstage vor der Unterzeichnung. Zusätzlich kauft Galenica für rund 29 Millionen Euro 400.000 weitere Aktien des börsennnotierten Versenders, sodass der Pharmahändler künftig mit 8 Prozent zu den großen Aktionären gehören wird. Shop Apotheke wird im Rahmen der beabsichtigten Transaktion eine entsprechende Kapitalerhöhung durchführen.
Als Mehrheitseigentümer kann Shop Apotheke die Umsätze von Mediservice ab dem Abschluss der Transaktion im Jahresabschluss konsolidieren. Für das Gesamtjahr 2023 wird ein Nettoumsatz von rund 450 Millionen Schweizer Fraken erwartet, mit einer Ebitda-Marge zwischen 2 und 3 Prozent. Unter der Annahme, dass die Transaktion im Mai abgeschlossen sein wird, beläuft sich der zusätzliche Umsatz im laufenden Jahr auf schätzungsweise 270 bis 300 Millionen Euro. Das bereinigte Ebitda würde um 5 bis 10 Millionen Euro steigen.
Das Joint Venture wird unter dem Namen Mediservice mit Sitz in Zuchwil im Kanton Solothurn geführt; der bisherige CEO André Lüscher bleibt im Amt. Neuer Verwaltungsratspräsident wird Stephan Weber, CCO und Mitgründer von Shop Apotheke. Rezeptpflichtige Medikamente werden weiterhin vom Mediservice-Standort versendet. Das frei verkäufliche Sortiment wird von Shop Apotheke aus dem Distributionszentrum der Firmenzentrale im niederländischen Sevenum vertrieben.
Mediservice war 1997 unter anderem durch die schweizerische Krankenkasse Helsana gegründet worden, die Versicherung verkaufte ihre Mehrheitsanteile aber bereits 2002. Zu den Aktionären der Holding MediCentrix gehörten dann neben dem Management nicht näher genannte Private Equity Investoren und Privatanleger sowie die Deutsche Post. 2007 übernahm Galenica die Versandapotheke.
Der Rx-Spezialist konzentriert sich auf Hightech- oder Spezialprodukte; die Patienten, die Mediservice betreut, leiden etwa unter Multipler Sklerose (MS), Krebs oder lebenslänglichen Stoffwechselerkrankungen. Die Rezepte stellt der Arzt aus und lässt sie direkt Mediservice zukommen, wenn der Patient dies wünscht. Dabei biete die Versandapotheke einen kostenlosen Zusatzdienst an: Schweizweit kümmern sich angestellte Pflegekräfte um die Applikation der Präparate. Über ein im vergangenen Jahr zugekauftes Software-Tool will Mediservice auch stärker von Verträgen mit Krankenversicherungen und Pharmaherstellern profitieren.
Galenica ist mit dem Großhändler Galexis und den Apothekenketten Amavita, Sun Store und Coop Vitality die Nummer 1 in der Schweiz. Am Konzern, der ursprünglich eine Genossenschaft war und an dem bis vor einigen Jahren Walgreens-Chef Stefano Pessina eine Beteiligung hielt, führt im Schweizer Gesundheitswesen kein Weg vorbei. Die Pharmasparte wurde vor einigen Jahren abgespaltet und unter dem Namen Vifor ebenfalls an die Börse gebracht.
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