Zur Rose kauft Teleclinic und scheucht die Politik damit auf. Shop-Apotheke macht es geschickter: Gründer und Großaktionär Michael Köhler sowie Aufsichtsratschef Jan Pyttel steigen bei Zava ein. Das bringt Noventi in eine unangenehme Situation.
Zava schickt bereits seit März Rezepte an Shop-Apotheke – jetzt wird die Zusammenarbeit auch gesellschaftsrechtlich zementiert: Im Rahmen einer neuen Finanzierungsrunde haben Köhler und Pyttel jeweils etwas mehr als 3 Prozent der Anteile übernommen. Über den Kaufpreis wurde nichts bekannt gemacht – bezogen auf die letzte Bewertung könnten es aber mehr als 7 Millionen Euro sein. Auch wenn es sich um kleinere Anteilspakete handelt, zeigt der Deal das strategische Interesse: Zwei bekannte Anbieter von Online-Sprechstunden sind jetzt mit den beiden großen Versandapotheken verbandelt.
Köhler war bis 2018 CEO bei Shop-Apotheke; mit einem Anteil von 15 Prozent ist er nach wie vor der größte Aktionär des börsennotierten Versenders. Nach seinem BWL-Studium in Stuttgart hatte er bei Hoechst (heute: Sanofi) gearbeitet und gemeinsam mit dem Industrieapotheker Dr. Robert Hess 2001 mit der Europa Apotheek Venlo (EAV) den Vorgänger der Shop-Apotheke gegründet.
Pyttel hatte BWL in Mannheim studiert und nach der Wiedervereinigung für die Treuhandanstalt gearbeitet. Nach Stationen bei verschiedenen Investmentbanken war er 2003 Mitgründer der auf kriselnde Unternehmen spezialisierten Beteiligungsgesellschaft Bavaria Industries Group, wo er bis 2007 auch im Vorstand saß. Seit 2013 leitet er die Beteiligungsgesellschaft Iberia Industry Capital Group. Sein eigenes Vermögen verwaltet er von Monaco aus. Seit 2016 ist er Aufsichtsratschef der Shop-Apotheke.
Zava wurde 2010 unter dem Namen DrEd von David Meinertz (CEO) und Amit Khutti in London gegründet, 2011 eröffnet und 2019 in Zava umbenannt. Neben den beiden Gründern und ihrem deutschen Berater Jens Apermann sind heute verschiedene Investoren an Bord, darunter der Internet-Investor Christian Richter (Radio.de, Radio-Camp, Computerrock.net, Wathory.com, BeetMobile), der Medtech-Unternehmer Marc Griefahn (Weinmann) und der Dental-Unternehmer Jens Kuhn (Kettenbach). Für 28 Millionen Euro war vor einem Jahr der niederländische Wachstumsfonds HPE Growth eingestiegen.
Seit Februar gibt es eine Kooperation mit Noventi: Das apothekereigene Unternehmen bietet Zava die technische Infrastruktur zur Ausstellung von E-Rezepten. Über eine Schnittstelle zu CallMyApo wurde Zava an 5000 Vor-Ort-Apotheken angebunden, darunter auch MVDA/Linda. „Durch die Zusammenarbeit mit Zava schließt sich der Kreis“, so Noventi-CEO Dr. Hermann Sommer anlässlich der Verkündiung der Kooperation.
Die aktuelle Entwicklung sieht man in München gelassen. CEO Dr. Hermann Sommer sagte gegenüber APOTHEKE ADHOC: „Als Noventi sehen wir keine Veränderung der Lage. Wir stehen zu der Zusammenarbeit. Bei Zava geht es darum, die Umsätze ausländischer Versandapotheken zurück in die Apotheke vor Ort zu holen. Daran ändern auch die Beteiligungen nichts. Durch unsere Zusammenarbeit kommt das E-Rezept erstmals flächendeckend nach Deutschland.“ Er räumt aber ein, dass man die Situation vermutlich anders bewertet hätte, wenn Shop-Apotheke selbst bei Zava eingestiegen wäre.
Schon im Februar hatte Meinertz sich bemüht zu versichern, dass kein Patient zum Versender gedrängt werde: „Für uns ist es wichtig, dass wir dem Patienten die Wahl geben“, erklärte er. Der Patient habe stets drei Optionen: das E-Rezept an eine Vor-Ort-Apotheke schicken, an eine Versandapotheke oder ein Papierrezept, das er ebenfalls anfordern kann. „Wir wissen aber, dass mehr als die Hälfte unserer Patienten das Rezept gern vor Ort einlösen möchte und viele auch schlechte Erfahrungen mit dem Versand gemacht haben“, so Meinertz.
Zava braucht eine breite Basis an Partnern, um die ehrgeizigen Wachstumspläne umzusetzen. Neben der Gewinnung von Kunden und der Erweiterung des medizinischen Portfolios geht es bei der Online-Arztpraxis darum, ihre Präsenz in bestehenden Märkten weiter auszubauen und in neue Länder zu expandieren – sowohl unter der eigenen Marke als auch im Zuge strategischer Partnerschaften. Ziel sei es, das globale Wachstum fortzusetzen, um sich weltweit als Spitzenreiter im Bereich der Telemedizin zu etablieren, hieß es bei der letzten Finanzierungsrunde vor einem Jahr, bei der das Unternehmen bereits mit 100 Millionen Euro bewertet wurde. Seit September können Patienten auch ganz ohne Arztkontakt an Verordnungen kommen: In den Kategorien Männergesundheit, Frauengesundheit, Sexualgesundheit, Allgemeinmedizin und chronische Erkrankungen können sie durch das Ausfüllen eines Fragebogens E-Rezepte anfordern.
Die Integration von Plattformen, Telemedizin-Anbietern sowie Vor-Ort- und Versandapotheken ist nicht auf Zava und Noventi beschränkt: Bereits Ende vergangenen Jahres hatte Mitbewerber Kry eine Kooperation mit DocMorris verkündet. Die endete allerdings, als sich DocMorris-Mutterkonzern entschied, das deutsche Telemedizin-Start-up Teleclinic für mehr als 40 Millionen Euro zu kaufen. Das wiederum hatte sich bereits zuvor über die Plattform Apotheken.de an die Vor-Ort-Apotheken angebunden. Nach der Übernahme beendete der Deutsche Apothekerverlag (DAV) die Zusammenarbeit Hals über Kopf. Resultat: Patienten konnten ihre Verordnungen plötzlich nicht mehr an Vor-Ort-Apotheken schicken.
Bereits bevor diese Panne bekannt wurde, hatte der Deal auch die Poltik auf den Plan gerufen: Die Frage steht im Raum, inwiefern die klassische Trennung der Heilberufssektoren durch diese Art von Kooperation unterlaufen wird. Konkret: Wird das Zuweisungsverbot auf diese Weise ausgehebelt? „Es kann nicht sein, dass unter dem Deckmantel der Digitalisierung die bewährte Trennung der Heilberufe von Arzt und Apotheker ausgehebelt wird“, kritisierte der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich. Er forderte, noch in das geplante Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) ein Verbot einzubringen, um die Trennung von Verordnung und Abgabe zu sichern. „Hier müssen wir Flagge zeigen und eine Regelung finden“, so Hennrich.
Im Bundesgesundheitsmnisterium (BMG) biss er damit allerdings auf Granit. „Eine weitere Verschärfung der Regelungen, die die freie Apothekenwahl gewährleisten sollen, scheint derzeit nicht zwingend notwendig“, hieß es dazu vom BMG an die Adresse der Gesundheitspolitiker der Koalition, die um eine Bewertung der Übernahme gebeten hatten. „Die weiteren Entwicklungen im Apothekenmarkt sind zu beobachten.“
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