Shop-Apotheke hat 2020 noch mehr von der Corona-Pandemie profitiert als die Konkurrenz von DocMorris: Um 40 Prozent ging es mit dem Umsatz nach oben, mittlerweile kratzt der Hollandversender mit 968 Millionen Euro an der Milliardengrenze. Dabei war erst für 2021 der große Durchbruch erwartet worden: Das E-Rezept kommt und die großen Versender stehen in den Startlöchern. Einen spürbaren Anstieg des Rx-Umsatzes durch das E-Rezept erwartet die Konzernleitung in Venlo jedoch nach eigenen Angaben nicht – zumindest nicht im laufenden Jahr.
Welche Bedeutung das Thema für den Versender hat, daran ließ Geschäftsführer Stefan Feltens bei der Vorstellung der Jahresbilanz am Mittwochmorgen keinen Zweifel: „Wenn es irgendwann in der Shop-Apotheke jemals eine Top-Top-Top-Priorität gab, dann ist es die Einführung des E-Rezepts in diesem Jahr.“ Bereits 2019 habe das Unternehmen deshalb eine „Taskforce eRx First“ eingerichtet, die seitdem kontinuierlich personell aufgestockt worden sei. Denn. Die Erwartungen sind hoch, der Konzern gehe im Einklang mit anderen Marktexperten aus, dass sich der Versandanteil am Rx-Umsatz von jetzt rund 1,5 Prozent schon in naher Zukunft auf 8 bis 12 Prozent erhöhen werde.
Während es bei der Vor-Ort-Konkurrenz bei der Anbindung an die Telematikinfrastruktur noch hakt und viele Experten von keinem reibungslosen Start des E-Rezepts zum 1. Juli ausgehen, zeigt Feltens sich selbstbewusst: „Wir werden mit dem Start des E-Rezepts in der Lage sein, E-Rezepte zu empfangen“, kündigt er an. Es gäbe da „noch ein paar Anforderungen, die extern erfüllt werden müssen“, aber das Unternehmen sei „im engen Austausch“ mit den dafür Zuständigen. Entsprechende Aktionen seien geplant – schon aus Wettbewerbsgründen verbiete sich aber, jetzt schon über die zu sprechen. „Es ist ja ein Vorteil des eCommerce, dass man immer sofort sieht, was auf dem Markt gerade geschieht.“
Allerdings: Dass der Rx-Umsatz bereits ab Jahresmitte durch die Decke gehen wird, erwartet Feltens nicht. „Wir gehen nicht davon aus, dass die E-Rezept-Einführung großen Einfluss auf Rx-Umsatz 2021 haben wird“, sagt er. Nicht zuletzt schuld daran sei das im vergangenen Jahr beschlossene Rx-Boni-Verbot, „von dessen Europarechtswidrigkeit wir nach wie vor ausgehen“. Einen wirklichen Schub werde der Rx-Umsatz erst mit der verpflichtenden Einführung des E-Rezepts ab Anfang 2022 erleben.
Die Prognose für das laufende Jahr falle auch deshalb konservativer aus als die jetzt vorgelegten Zahlen: Shop-Apotheke gehe für das Geschäftsjahr 2021 von einem organischen Umsatzwachstum von rund 20 Prozent oder mehr und einer positiv bereinigten Ebitda-Marge in einem Korridor von 2,3 bis 2,8 Prozent aus. 2020 lag das den aktuellen Zahlen zufolge bei 2,2 Prozent, nach -1,9 Prozent im Vorjahr. Das Ziel, 2020 erstmals die Gewinnzone auf Basis der Marge des bereinigten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zu erreichen, wurde damit erreicht – nach knapp 20 Jahren. Beim Betriebsergebnis (EBIT) schreibt der Versender allerdings nach wie vor rote Zahlen, auch wenn er sich von -33,4 Millionen Euro im Vorjahr auf ein knappes Minus von 0,9 Millionen Euro deutlich verbesserte. Nach Finanzierungsaufwendungen und Ertragsteuern lag das Nettoergebnis bei -16,8 Millionen Euro nach -36,3 Millionen Euro im Jahr 2019.
Der Konzernumsatz war 2020 um 38,1 Prozent auf 968 Millionen Euro gewachsen – und damit doppelt so stark wie die prognostizierten rund 20 Prozent. Mit 59,4 Prozent wuchs das Bruttoergebnis auf Konzernebene nach Unternehmensangaben deutlich überproportional zum Umsatz von 137,7 Millionen Euro auf 219,5 Millionen Euro. Die Bruttomarge stieg um 3,1 Prozentpunkte, von 19,6 Prozent im Jahr 2019 auf 22,7 Prozent im Jahr 2020.
Dass Shop-Apotheke mehr als DocMorris von der Krise profitieren konnte, lag vor allem daran, dass die Kapazitäten da waren. Zwar lief auch Shop-Apotheke zeitweise an der Leistungsgrenze, aber mit so zahlreichen Lieferproblemen wie die Zur-Rose-Töchter musste sich Venlo nicht herumschlagen. Früher als es geplant gewesen sei, hätten bereits im Oktober 2020 die ersten Pakete das neue Logistikzentrum in Sevenum verlassen. Seit Januar 2021 werde bereits das gesamte internationale Auftragsvolumen am neuen Standort mit einem wesentlich erhöhten Automatisierungsgrad abgewickelt. Und die Kapazitäten sollen noch weiter wachsen: Voraussichtlich im Sommer werde das neue Logistikzentrum vollständig fertiggestellt sein, dann können nach Unternehmensangaben mehr als 35 Millionen Pakete pro Jahr von Sevenum aus versendet werden. „Dies entspricht mehr als einer Verdoppelung der Kapazitäten“, so Shop-Apotheke.
Weitere Umsatzschübe soll die Einführung des E-Rezepts zwar nicht unmittelbar bringen, doch Shop-Apotheke stellt sich, wie angekündigt, bereits strategisch für den nächsten Digitalisierungsschub auf: „Da wird sich in den nächsten Monaten und Jahren eine große Dynamik im Apothekenmarkt entfalten“, kündigt Feltens an. Neben den einem Ausbau und einer verstärkten Einbindung der kürzlich akquirierten App My Therapy von Smartpatient soll es vor allem bei der Belieferung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dynamisch zugehen: Von der App zum Versender nach Hause innerhalb weniger Stunden. Deshalb wolle Shop-Apotheke im laufenden Jahr vor allem ihre Same Day Delivery ausbauen. Von jetzt sechs auf 13 Metropolregionen soll das Angebot ausgebaut werden – Hamburg, Bremen, Hannover, Leipzig, Dresden, Nürnberg und Frankfurt am Main sollen hinzukommen.
Nur die beiden Lieferregionen im Rhein-Ruhr-Gebiet werden dabei von den Niederlanden aus beliefert, in den anderen Städten sollen jeweils Partner-Apotheken die Auslieferung übernehmen. „Der Kunde entscheidet bei der Bestellung selbst, ob er sich die Arzneimittel von uns liefern lassen will oder den Service der lokalen Apotheke in Anspruch nimmt“, so Feltens. „Dazu sind wir an Apotheken herangetreten, es sind aber umgekehrt auch Apotheken aktiv auf uns zugekommen.“ Ein großes Netz aus Vor-Ort-Partner-Apotheken will Shop-Apotheke aber anders als DocMorris nicht aufbauen. „Wenn sie in einer Metropolregion mit 50 Apotheken zusammenarbeiten, ist das Bestellaufkommen für die einzelnen Apotheken überschaubar und wirtschaftlich nur schwer darstellbar“, so Feltens. Deshalb setze man nur auf wenige ausgewählte Apotheken.
Bis E-Rezept und Same Day Delivery das Bestellaufkommen hochtreiben, kann Shop-Apotheke aber vorerst auch an der Versorgung während der Corona-Pandemie verdienen: Feltens kündigte an, bald Selbsttests in großem Umfang zu vertreiben. In Österreich sind die bereits mit saftigen Rabatten lieferbar, in Deutschland stellen sich noch Fragen nach Zulassung und Verfügbarkeit. „Wir sind derzeit mit vielen Anbietern im Gespräch, sowohl den bereits zugelassenen als auch denen, deren Zulassung unmittelbar bevorsteht“, so Feltens. „Wir wollen uns jetzt schon entsprechend große Kontingente sichern.“
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