Wenn Ärzte mit der Verordnung von Rezepten Geld verdienen wollen, ist in der Schweiz Zur Rose zur Stelle. Die Idee: Ärzte, die selbst Medikamente abgeben dürfen, bestellen ihren Bedarf bei Zur Rose. Ärzte in Kantonen, in denen die Selbstdispensation verboten ist, schicken ihre Rezepte an die Versandapotheke. Nachdem das Bundesgericht in Lausanne das Modell 2014 für unzulässig erklärt hatte, kassierte Zur Rose nun im Kanton Aargau eine Schlappe. Die Richter äußerten offen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Versandapotheke.
Seit 2002 arbeitet Zur Rose mit Ärzten im Aargau zusammen. Zunächst kooperierte die damalige Ärzte-AG mit dem Ärztenetz Argomed; im Vertrag war geregelt, dass Bestellungen über eine Internetplattform in der Praxis aufgenommen und die gelieferten Medikamente an die Patienten ausgegeben werden sollten. Für die Akquise der Kunden, die Verwaltung der Daten sowie Abgabe und Abrechnung gab es Geld via Argomed.
Im Sommer 2010 wurde das Modell umgestellt. Zur Rose zahlte nun direkt Entschädigungen an die Ärzte für Leistungen wie Neukundeneröffnung, Pflege eines Patientendossiers, Dossier- und Interaktionscheck sowie Logistik.
Die Apotheker sahen das Modell von Anfang an als Umgehung des Dispensierverbots und forderten das Gesundheitsdepartement auf, das Modell zu verbieten. Tatsächlich wurde den Ärzten 2007 die Teilnahme untersagt. Der Fall drehte die erste Runde vor Gericht und wurde 2011 an den Regierungsrat zurück verwiesen. Die oberste Verwaltungsinstanz bestätigte Ende 2012, dass Ärzte ohne Ausnahmegenehmigung zur Selbstdispensation sich nicht am Direktversand beteiligen dürfen.
Nun musste das Verwaltungsgericht über die von Zur Rose und fünf Ärzten angestrengte Berufung entscheiden. Wie schon das Bundesgericht kamen auch die Richter im Kanton Aargau zu dem Schluss, dass die Ärzte im Versandmodell pharmazeutische und apothekerspezifische Leistungen erbringen: „Auch wenn das Zusammenwirken wirtschaftlich sinnvoll sein mag, weil der administrative Aufwand für die Versandapotheke reduziert und die Kosten verringert werden können, werden die Ärzte und Ärztinnen damit Teilnehmer an Abgabehandlungen der ‚Zur Rose‘“, heißt es im Urteil. „Sie nehmen diesbezüglich […] pharmazeutische (Abgabe-)Tätigkeiten vor. Die Interaktionskontrolle, der Dosiercheck und die Identitätskontrolle sind keine Hilfsdienstleistungen bei der Medikamentenabgabe, sondern gehören zu den Kernaufgaben der Apotheken.“
Ohne Ausnahmeerlaubnis zur Selbstdispensation können Ärzte laut Urteil an dem Modell nicht teilnehmen. Die Genehmigung wird im Kanton Aargau jedoch nur erteilt, wenn der Weg zur nächsten Apotheke „mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Regel mehr als eine Stunde pro Weg beträgt“.
Irrelevant sei bei der Bewertung, ob die Ärzte im Gegenzug eine Entschädigung erhielten oder als Aktionäre an Zur Rose beteiligt seien. Der Regierungsrat hatte die Teilnahme an dem Modell vor allem bei Ärzten kritisch gesehen, die zugleich Aktionäre sind oder eine Vergütung erhalten, die über die reine Aufwandsentschädigung hinaus geht. Die finanzielle Komponente sei im Zusammenhang mit der Bewilligung nicht zu berücksichtigen, so die Richter. Vielmehr seien solche Absprache als unzulässige Annahme geldwerter Vorteile zu ahnden.
Tatsächlich hatte das Bundesgericht die Entschädigungszahlungen als „therapiefremde geldwerte Vorteile“ bewertet, die im Heilmittelgesetz verboten sind. Nach dem Urteil aus Lausanne hatte sich Zur Rose dann zu der Behauptung verstiegen, dass die Ärzte im Kanton sowieso keine pharmazeutischen Leistungen für sie erbrächten. Diese Ausführungen brachten die Richter in Aarau endgültig auf die Palme: Zur Rose habe im gesamten bisherigen Verfahren nichts über ein neues Modell vorgetragen. Die neue Sachdarstellung sei daher „aktenwidrig“ und „durch eigene Ausführungen widerlegt“. Sie stehe auch in einem „eklatanten Widerspruch zu ihren Parteibehauptungen vor den Vorinstanzen“. „Die nachträgliche Bestreitung des maßgeblichen Sachverhalts durch die Beschwerdeführerin erscheint nicht nur widersprüchlich, sondern auch unglaubwürdig.“
Die Versandapotheke hatte behauptet, die Tätigkeit der Ärzte sei auf die elektronische Erfassung und Übermittlung der Rezepte im Auftrag der Patienten beschränkt. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Ärzten und Zur Rose bestehe nicht, respektive nicht mehr.
Dazu die Richter: „Die Behauptung, aargauische Ärztinnen und Ärzte würden ausschließlich Leistungen im Zusammenhang mit der Medikamentenabgabe an ihre Patienten im Interesse Letzterer und in deren Auftrag ausführen, bringt zudem einen neuen Sachverhalt in das vorliegende Verfahren ein. Ein Zusammenwirken der Ärztinnen und Ärzte mit ihren Patienten bezüglich der Medikamentenbestellung bei der ‚Zur Rose‘ und deren anschließende Abgabe haben die Vorinstanzen nicht festgestellt.“
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