Immer mehr branchenfremde Bringdienste wollen Arzneimittel und Freiwahlprodukte aus der Apotheke liefern. Bei der Lieferung von OTC-Arzneimitteln sind sie dabei an Apotheken gebunden, weil nur sie die Produkte verkaufen dürfen. Aber dürfen externe Anbieter tatsächlich Botenfahrer:innen stellen? Drei Anwälte erklären.
Mit der Frage der rechtlichen Zulässigkeit haben sich die Rechtsanwälte Dr. Enno Burk, Dilara Puls und Karoline Wollitz von der Kanzlei Gleiss Lutz eingehender befasst. Ihr Beitrag „Zwischen Botendienst und Versandapotheke – Funktioniert ‚Gorillas´‘ auch mit Arzneimitteln?“ ist in der Fachzeitschrift „Pharma Recht“ (Ausgabe 2/2022) erschienen.
Eine der Kernfragen ist, ob die Schnelllieferdienste als Boten der Apotheken auftreten können, wenn wiederum die Fahrer:innen selbstständig tätig sind – oder ob es sich schon um Versandhandel handelt. Die Lieferdienste seien in einem „atypischen“ Bereich, weil sie sich als Boten qualifizierten, aber eben nicht zum Personal der Apotheke gehörten – sondern wie im Versandhandel eigentlich externe Logistiker sind.
Die Abda vertritt die Auffassung, dass der Bote zum Personal der Apotheke zählen muss, also arbeitsvertraglich an den Inhaber gebunden sein muss. Sollte sich die Standesvertretung mit ihrer Auffassung durchsetzen, wäre das Geschäftsmodell der Lieferdienste schwierig bis unmöglich.
Die Anwälte finden den Verweis der Abda auf die Formulierung „Bote der Apotheke“ nicht überzeugend. Ein Bote sei dem Wortlaut nach zunächst jemand, der etwas im Auftrag eines anderen ausliefert. „Auch Kapital- oder Personengesellschaften mit Angestellten können ‚Boten der Apotheke‘ sein“, schlussfolgern Burk/Puls/Wollitz. Ansonsten wäre aus Sicht der Gutachter auch der Zweck nicht erfüllt, den Botendienst der Apotheken mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) zu stärken. Und nicht zuletzt sei ja die Abda mit ihrem Ansinnen gescheitert, eine arbeitsrechtliche Bindung im Gesetz zu verankern. Der Änderungsvorschlag wurde seinerzeit nicht angenommen.
Weiter heißt es im Gutachten: „Weniger eindeutig ist jedoch, ob der Wortlaut auch eine Konstruktion erlaubt, bei der der von der Apotheke eingeschaltete Schnelllieferdienst seinerseits rechtlich selbstständige (Fahrrad-)Kuriere unterbeauftragt, um die Lieferung für die Apotheke auszuführen.“ In diesem Fall könnte der Kurier als Bote des Schnelllieferdienstes unterwegs sein, nicht als Bote der Apotheke. Es komme hier auf die vertragliche Ausgestaltung an: Entscheidend wäre, dass der Bote bei der Ausführung ausschließlich den Weisungen der Apotheke unterliegt. „Rechtssicher“ wäre auf jeden Fall ein Angestelltenverhältnis, heißt es. Eine Anstellung des Boten bei der Apotheke verlangt der Wortlaut der Norm entgegen der Position der Abda jedoch objektiv nicht“, so das Gutachten.
Namentlich von der Apotheke festgelegt sein muss der Fahrer von der Apotheke nicht. Es geht nur um die durchgehende „Entscheidungsmacht“. Unter diesen Umständen wäre es laut Gutachten schwierig, wenn derselbe Bote gleichzeitig für mehrere Apotheken unterwegs ist.
Und dann sehen die Anwälte einen Sonderfall, wenn bei Rx-Arzneimitteln das Rezept noch nicht in der Apotheke vorlag oder noch keine Beratung stattgefunden hat. Denn in diesem Fall muss laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) „pharmazeutisches Personal“ die Auslieferung übernehmen. Die Lösung aus Sicht der Gutachter: Wenn vorher eine telefonische Beratung nicht möglich war, könnte der Bote spätestens bei der Übergabe über ein mitgebrachtes Smartphone einen Kontakt zur Apotheke ermöglichen. Die ApBetrO sehe die Telekommunikation als Option eindeutig vor. Wie in der Offizin könne eine Beratung am Ende aber auch nicht erzwungen werden, es geht um das Angebot.
Wichtig ist den Gutachtern noch, dass die Kund:innen jederzeit wissen, von welcher Apotheke sie beliefert werden. „Auch darf kein Zweifel darüber aufkommen, dass der Schnelllieferdienst selbst keine Apotheke ist und dieser weder Vertragspartner des Kunden, noch für dessen Beratung, die Erfüllung sonstiger der Apotheke obliegender Pflichten gegenüber dem Kunden oder für etwaige haftungs- oder gewährleistungsrechtliche Umstände verantwortlich ist.“ Eine Beratung unter der Telefonnummer des Schnelllieferdienstes sei zum Beispiel unzulässig.
Zum Schluss befassen sich die Gutachter noch mit der Frage der Umsatzbeteiligung. Denn hier setzt das Apothekengesetz strenge Grenzen. In diesem Fall könnte die Nutzung der App der Schnelllieferdienste ein „überlassener Vermögenswert“ im Sinne des ApoG sein, dann wäre die umsatzabhängige Vergütung unzulässig. Hier legen sich die Gutachter nicht final fest. Unkritisch ist aus ihrer Sicht aber eine „umsatzunabhängige Plattformgebühr“.
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