Schlecker-Pleite: Neue Käuferschicht für Apotheken Carolin Bauer, 21.06.2012 09:59 Uhr
Die Schlecker-Ära neigt sich dem Ende. Viele Kunden der Drogeriekette müssen sich ab Ende Juni neu orientieren. Bei Produkten von Klosterfrau, Abtei, Kneipp oder Doppelherz könnten auch die Apotheken Marktanteile gewinnen. APOTHEKE ADHOC sprach mit Bernd Hildebrandt, Vertriebsdirektor von Queisser Pharma, über die Schlecker-Pleite, die anstehende Umverteilung und die Chancen für die Apotheken.
ADHOC: Was bedeutet der Verlust des Großkunden Schlecker für Queisser?
HILDEBRANDT: Dort, wo Schlecker schließt, gibt es eine Käuferwanderung. Die Kernzielgruppe von Schlecker sind Menschen ab einem Alter von 45 Jahren. Entscheidend ist die Frage, wohin sie einkaufen gehen, wenn Schlecker nicht mehr da ist.
ADHOC: Und zwar?
HILDEBRANDT: Möglich, dass gerade viele ältere Menschen statt bei Schlecker ihren Bedarf jetzt in der Apotheke decken wollen. Immerhin hat Schlecker in 2011 noch circa 30 Millionen Packungen Nahrungsergänzungsmittel und freiverkäufliche Arzneimittel abgesetzt. Das ist schon ein betrachtlicher Umfang.
ADHOC: Warum gehen die Menschen nicht zu anderen Drogeriemärkten?
HILDEBRANDT: Dort, wo Schlecker sich zurück zieht, gibt es oft keinen Rossmann, dm oder Müller. Apotheken sind überall. Ich bin sicher, dass die Apotheken aus der Schlecker-Insolvenz Vorteile ziehen können.
ADHOC: Sehen Sie diese Kundenwanderung bereits?
HILDEBRANDT: Ja, es gibt eine verstärkte Nachfrage vom Großhandel und auch von Apotheken.
ADHOC: Warum sollten ausgerechnet die Apotheker die Drogerieprodukte von Queisser Pharma verkaufen?
HILDEBRANDT: In den Apotheken werden ja bereits die apothekenexklusiven und -pflichtigen Sortimente von „Doppelherz system“ angeboten. Zum Vergleich: Auf Schlecker entfielen zuletzt rund 7 Prozent unseres Umsatzes, auf die Apotheken jedoch mehr als 16 Prozent. Produkte von Queisser – nicht nur der Marke Doppelherz – werden in fast allen Apotheken geführt. Unser Außendienst berät regelmäßig 8000 Apotheken und hat außerdem das Angebot für die nicht-apothekenexklusiven Produkte dabei. Man darf darüber hinaus nicht vergessen, dass die Marke Doppelherz im OTC-Markt – Apotheke, Lebensmittelhandel und Drogeriemarkt – die Nummer 7 ist.
ADHOC: Aber jeder Apotheker verkauft lieber Apothekenexklusives als Drogerieware.
HILDEBRANDT: Das ist ja auch richtig und soll auch so bleiben. Zu Recht haben einige Apotheker Vorbehalte und fragen: Warum soll ich meinen kostbaren Platz mit austauschbaren Produkten füllen? Das wird von uns akzeptiert. Aber starke Marken sind nicht austauschbar. Die Apotheker müssen sich entscheiden, ob sie zusätzlich eine andere Käuferschicht und auch Laufkundschaft ansprechen wollen. Schlecker hat 2011 ohne „Ihr Platz“ einen Umsatz von 100,5 Millionen Euro mit freiverkäuflichen Arzneimitteln gemacht. Dieses Volumen verteilt sich jetzt neu.
ADHOC: Fürchten Sie keine Kannibalisierung?
HILDEBRANDT: Die Gefahr sehe ich nicht, da die apothekenexklusiven Produkte von Doppelherz eine andere Zusammensetzung haben. Sie sind deutlich höherwertiger und sprechen eine andere Käuferschicht an.
ADHOC: Aber macht sich die Apotheke nicht ihre Preise kaputt?
HILDEBRANDT: Die Produkte, die bislang bei Schlecker angeboten wurden, müssen in der Apotheke natürlich zu wettbewerbsfähigen Preisen verkauft werden. Es ist nicht so einfach, mit preiswerteren Produkten etwas zu verdienen: Die Margen sind gering, vor allem, wenn man nur ein einzelnes Produkt über den Großhandel bestellt. Dafür haben diese Produkte aber einen vergleichsweise starken Umschlag.
ADHOC: Was bieten Sie den Apotheken?
HILDEBRANDT: Die Apotheker können zu guten Konditionen direkt bei Queisser mit geringem Mindestbestellwert ordern. Bei Bedarf bieten wir diese Möglichkeit auch als Test mit einer Laufzeit von bis zu einem halben Jahr an. Wird nicht soviel verkauft wie geplant, nehmen wir die Ware zurück. Ein Risiko gibt es eigentlich nicht, zumal wir die Marke Doppelherz massiv bewerben.
ADHOC: Nutzt Queisser die Apotheken als Schlecker-Ersatz?
HILDEBRANDT: Nein, das ist für uns nicht der große „Big Bang“. Wir versuchen, die Ware möglichst vielen aufgeschlossenen Apothekern anzubieten. Es wird mit Sicherheit nicht die breite Masse sein, die das Angebot annehmen wird. Aber die Möglichkeit gibt es. Wir haben bereits Apotheker, die sich in dem Segment versuchen – und das mit Erfolg.
ADHOC: Sollten Apotheken zu Drogerien werden?
HILDEBRANDT: Nein. Die Apotheke hat ganz andere Kosten. Sie könnte ihren hohen Standard wie beispielsweise die qualifizierte Gesundheitsberatung mit kleinen Margen gar nicht halten. Aber jetzt gibt es die Chance mit Produkten, die sonst bei Schlecker verkauft wurden, neue Kunden zu gewinnen und zusätzliche Erträge zu erzielen.