Drogerieketten

Schlecker als Genossenschaft? Carolin Bauer, 17.07.2012 13:52 Uhr

Berlin - 

Der erste Schock ist überwunden, jetzt regt sich Gründergeist: Doreen Krieg war eine der sogenannten Schlecker-Frauen, zwölf Jahre arbeitete sie in Meiningen für die Drogeriekette. Nach der Pleite ihres langjährigen Arbeitgebers will sie ihre Filiale nicht aufgeben. Gemeinsam mit Gleichgesinnten strebt sie die Gründung einer Genossenschaft an, bei der auch die Kunden Mitglieder werden und als solche einkaufen sollen. „Wir müssen die richtigen Standorte finden“, sagt Krieg.

 

Nach der Schlecker-Pleite hatten Konkurrenten und Experten mit Häme nicht gespart: Das Konzept sei überholt gewesen, Schlecker Repräsentant einer längst vergangenen Zeit. Mag alles richtig gewesen sein, aber Schlecker war eben auch an Standorten aktiv, bei denen Rossmann und dm nur abwinken. Während die Mitbewerber auf die Filets schielen, wollen die ehemaligen Mitarbeiter dort weitermachen, wo sie gebraucht werden.

Für das Modell der Genossenschaft kommen nach Ansichten von Experten aber auch nicht alle Filialen in Frage: „Es funktioniert nur dort, wo Notstand besteht“, sagt Jörg Lauenroth-Mago, der bei der Gewerkschaft Verdi in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für den Einzelhandel zuständig ist. Zudem setze es voraus, dass es genug Menschen gebe, die eine Genossenschaft gründen wollten: „Ohne ein abgesichertes Finanzierungskonzept muss man davon die Finger lassen“, warnt er.

Das weiß auch Krieg, die für ihre Filiale trotzdem große Chancen sieht. Trotz der Konkurrenz anderer Drogerien habe Schlecker in Meiningen „wahnsinnige Lücken in der Versorgung hinterlassen“, sagt Krieg. Monatlich habe sie mit ihren Kollegen einen Umsatz zwischen 30.000 und 40.000 Euro erwirtschaftet. Zum Vergleich: dm macht pro Filiale rund 3,4 Millionen Euro im Jahr.

Solche Dimensionen hat Krieg nicht im Blick. Sie glaubt vielmehr, dass Schlecker auch aufgrund der hohen Anzahl an Filialen gescheitert ist und dass das Engagement der Mitarbeiter für ihren Erfolg entscheidend sein wird: „Wir waren die Apotheke unter den Drogeriemärkten. Wir haben beraten und uns Zeit genommen“, erinnert sie sich an jene Zeiten, an die sie anknüpfen will.

 

 

Die 37-Jährige glaubt fest an ihre Chance: „Wenn ich nicht zuversichtlich wäre, hätte ich es nicht angefangen.“ Die Idee zur Selbstständigkeit entstand Anfang Juni, als der Ausverkauf begann. Morgens beim Kaffeetrinken, erinnerte sie sich an das Dorfladen-Konzept, das ihnen im März auf einer Betriebsversammlung vorgestellt wurde.

Unterstützung erhalten die Schlecker-Beschäftigten neben Verdi auch von der Politik. Im thüringischen Wirtschaftsministerium etwa steht man dem Genossenschaftsmodell positiv gegenüber: Wenn der Wunsch bestehe und eine saubere Risikobetrachtung erfolgt sei, gebe es die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung, sagte ein Ministeriumssprecher. „Es Bedarf der Einzelfallbetrachtung.“

Alleine in Thüringen seien bis zu 20 ehemalige Beschäftigte ernsthaft an dem Genossenschaftsmodell interessiert. Auch in Baden-Württemberg warb Verdi mit der Idee, gemeinsam mit Kommunen und Landesregierung, Schlecker-Filialen als Genossenschaft weiter zu betreiben.

Krieg lässt derzeit ihre Kontakte spielen. Als Mitglied des Gesamtbetriebsrates kennt sie viele Kollegen. „Ich bin mir ganz sicher, dass zu wenige von dieser Möglichkeit wissen“, sagt sie. Trotz aller Zuversicht habe sie aber auch schon Bewerbungen für andere Stellen verschickt. Die gelernte Jagdwaffengraveurin will im Einzelhandel bleiben. Eine Karriere als Erzieherin oder Altenpflegerin strebt sie nicht an.