Schiffsapotheke: Deutsch oder gleichwertig Patrick Hollstein, 24.06.2024 14:47 Uhr
Mit der Ausstattung von Schiffsapotheken kann man gutes Geld verdienen. Doch die Reedereien haben durchaus die Möglichkeit, sich im Ausland zu bevorraten – wenn sie den Nachweis erbringen, dass das gleichwertig ist. Das hat das Verwaltungsgericht Hamburg entschieden.
Weil medizinischer Sauerstoff an Bord fehlte, wurde im November 2021 nach einer Hafenstaatkontrolle ein Fischkutter einer Reederei aus Hamburg durch die irische Behörde festgehalten. Die Berufsgenossenschaft (BG) Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation ordnete daraufhin an, dass unter Mitwirkung einer öffentlichen Apotheke die medizinische Ausstattung kontrolliert und mindestens alle zwölf Monate überprüft werden müsse.
Zur Begründung hieß es: „Die medizinische Ausstattung muss hinsichtlich ihres Inhalts, ihrer Aufbewahrung, ihrer Kennzeichnung und ihrer Anwendung geeignet sein, den Schutz der Gesundheit der Personen an Bord und deren unverzügliche angemessene medizinische Behandlung und Versorgung an Bord zu gewährleisten.“ Nach § 109 Seearbeitsgesetz (SeeArbG) habe der Reeder durch betriebseigene Kontrollen mindestens alle zwölf Monate sicherzustellen, dass die medizinische Ausstattung stets in einem ordnungsgemäßen Zustand ist. „Dabei hat sich der Reeder der Mitwirkung einer öffentlichen (deutschen) Apotheke zu bedienen.“
Nachdem die Betreibergesellschaft die gesetzte Frist zunächst verstreichen gelassen hatte, legte sie Widerspruch gegen ein verhängtes Zwangsgeld ein und begründete dies mit der erfolgten Kontrolle durch eine spanische Apotheke.
Deutsche Apotheke ist Pflicht
Doch die BG ließ den Nachweis der in Spanien ansässigen Apotheke nicht gelten, da er nicht unter Mitwirkung einer öffentlichen Apotheke im Sinne des SeeArbG erstellt worden sei. „Da es sich dabei um eine deutsche Rechtsvorschrift handelt, kann es sich nur um eine deutsche Apotheke handeln, die die Versorgung der Bevölkerung im Anwendungsbereich des Grundgesetzes sicherstellen kann.“
Konkretisiert werde diese Anforderung durch § 14 der Verordnung über maritime medizinische Anforderungen auf Kauffahrteischiffen (MariMedV) und insbesondere der Begründung dazu, nach der nur eine deutsche öffentliche Apotheke die Gewähr für eine hohe Qualität der Arzneimittelversorgung von Kauffahrteischiffen bieten könne. „Hätte der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber gewollt, dass auch ausländische Apotheken Kauffahrteischiffe beliefern dürfen, hätte er dies ausdrücklich regeln müssen.“
Tatsächlich gilt die Regelung zwar nicht für die Ergänzung der medizinischen Ausstattung in ausländischen Häfen, da ansonsten Apothekerinnen und Apotheker den Schiffen für die Einsortierung der Arzneimittel hinterher reisen müssten. Aber in einem solchen Fall ist laut begründung die „Mitwirkung einer deutschen öffentlichen Apotheke“ vorgesehen um sicherzustellen, dass die vom
Reeder mit den jährlichen Kontrollen beauftragte Apotheke darüber informiert ist, welche Medikamente zwischendurch im Ausland beschafft wurden.
So gesehen lässt sich laut Gericht den Vorschriften zwar der Grundsatz entnehmen, dass nur eine nach dem deutschen Apothekengesetz bestehende öffentliche Apotheke geeignet ist, an dem vom Reeder zu erbringenden Nachweis mitzuwirken. „Ein ausnahmsloser Ausschluss von in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Erbringer von Dienstleistungen steht jedoch das Anwendungsvorrang genießende Unionsrecht, hier die Dienstleistungsfreiheit, entgegen.“
Nachweis der Gleichwertigkeit
Dürften nur deutsche Apotheken die Versorgung übernehmen, würden Leistungserbringer aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiert, ohne dass dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt wäre. „Ein vollständiger Ausschluss von in anderen Mitgliedstaaten bestehenden Apotheken ist nicht verhältnismäßig.“ Das verfolgte legitime Ziel, eine hohe Qualität von Arzneimitteln und Medizinprodukten an Bord zu gewährleisten, könne nämlich auch mit dem milderen Mittel erreicht werden, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Einrichtung ihre Gleichwertigkeit nachweise.
Im Einzelfall wäre bei Vorlage einer Bescheinigung einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Apotheke zu
prüfen, ob dies mit dem Stand der medizinischen Erkenntnisse vereinbar ist und die medizinische Behandlung und Versorgung der Personen an Bord nicht gefährdet wird.
Anerkannt werden konnte der Nachweis der spanischen Apotheke übrigens trotzdem nicht. Denn es fehlte der Nachweis, dass ein Tourniquet und Schmerzmittel vorhanden waren.