Versender will 14 Millionen Euro von Kammer

Schadenersatzforderungen: „Das wird sehr, sehr schwer für DocMorris“

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Berlin -

Der Rechtsstreit zwischen der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) und DocMorris über Schadenersatz für einstweilige Verfügungen, die die Kammer vor 2016 gegen den Versender erwirkt hat, könnte sich noch einige Zeit hinziehen. Die Überraschung war angesichts der geforderten Summe von 14 Millionen Euro groß – doch selbst im Fall, dass DocMorris gewinnen sollte, ist längst nicht ausgemacht, dass die AKNR diese Summe aufbringen müsste.

Am Donnerstag hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) eine Vorentscheidung zugunsten der Zur-Rose-Tochter verkündet: Es erklärte die Forderung nach 13.925.987,31 Euro Schadenersatz für den Zeitraum bis Ende 2015 für „dem Grunde nach gerechtfertigt“ und kassierte damit ein Urteil des Landgerichts (LG) aus dem Jahr 2019. Die AKNR sei außerdem verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der DocMorris bis einschließlich 31. Dezember 2016 darüber hinaus infolge der Vollziehung von fünf auf Antrag der Kammer erlassenen einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Köln entstanden ist oder noch entstehen wird.

Der Rechtsstreit ist eine Folge des berüchtigten Rx-Boni-Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016: Die AKNR war zuvor immer wieder gegen verschiedene Rx-Bonus-Modelle von DocMorris vorgegangen und hatte einstweilige Verfügungen erwirkt. Da der EuGH später entschied, dass ausländische Versandapotheken nicht der deutschen Preisbindung unterstellt sind, fühlte sich DocMorris rückwirkend zu Unrecht verfolgt und will nun den mutmaßlichen Schaden von der Kammer ersetzt bekommen.

Dabei kann er sich auf Paragraph 945 Zivilprozessordnung (ZPO) berufen: „Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt (…), so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel (…) entsteht“, heißt es da.

„Das ist ein sehr starker Paragraph, denn er ist auch verschuldensunabhängig, was im deutschen Recht selten ist. Er ist deshalb ein scharfes Schwert, das auch gern mal als Drohung eingesetzt wird“, erklärt Dr. Volker Herrmann, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Kanzlei Terhaag und Partner in Düsseldorf. „Wer den Vorteil eines Eilverfahrens in Anspruch nimmt, hat dann den Nachteil, dass er dem anderen den Schaden bezahlen muss, wenn eine einstweilige Verfügung im Nachhinein als unrechtmäßig erkannt wird. Er hätte ja auch ein klassisches Verfahren wählen können, das dann aber um die zwei Jahre dauern kann.“ Dennoch: Weder dass, noch, wie viel die Kammer zahlen muss, steht bereits fest.

Denn das Verfahren ist zweistufig: In der ersten Stufe hat das OLG nur im Grunde anerkannt, dass DocMorris Recht auf einen Schadenersatz hat. Dagegen will wiederum die AKNR beim Bundesgerichtshof in Revision gehen. Deshalb wird nach Herrmanns Einschätzung vorerst in Düsseldorf nichts passieren – gibt der BGH der Kammer recht, hat sich das Verfahren erledigt. Entscheidet er zugunsten von DocMorris, geht der Fall zurück nach Düsseldorf. Und dann wird es spannend.

„Da fließt noch kein einziger Euro. Über die Höhe einer möglichen Entschädigung ist noch gar nichts gesagt“, so Herrmann. „Die Musik spielt in solchen Verfahren in der zweiten Stufe, in der ich meinen Schaden beziffern kann.“ Und ab da wird es dann schwieriger, denn dann müsste die Versandapotheke bis ins Detail beweisen, wie viel Schaden ihr durch die einstweiligen Verfügungen – die vor allem Werbeverbote umfasst haben – entstanden ist und dabei insbesondere die Kausalität belegen. „Das ist schwer, aber nicht unmöglich“, sagt Herrmann. „Wenn man mit 14 Millionen Euro argumentiert, muss man allerdings auch etwas an Nachweisen in der Schublade haben. Der forensischen Erfahrung nach gelingt es in den seltensten Fällen, die Höhe des Betrags wie gefordert durchzusetzen. Solche Verfahren gehen selten zugunsten des Klägers aus. Das wird sehr, sehr schwer für DocMorris.“

Hinzu komme der konkrete Ort der möglichen Verhandlung: „Das Verfahren liegt jetzt beim 20. Senat und ich weiß ich aus eigener Erfahrung, dass der sehr streng ist, was den Kausalitätsnachweis angeht.“ Dass DocMorris in der Vergangenheit verhängte Ordnungsgelder nicht bezahlt hat, dürfte nach Herrmanns Auffassung keine wesentlichen Auswirkungen auf das Verfahren haben. Es sei ein taktisches Mittel, diese nicht zu zahlen, wenn man als Beklagter davon ausgeht, dass eine einstweilige Verfügung später für unrechtmäßig erklärt wird – denn dann fallen die Ordnungsgeldverpflichtungen komplett weg. „Dann sind auch die ausstehenden Zahlungen vom Tisch“, sagt er. „Darauf hat DocMorris wahrscheinlich gesetzt, auch weil sie in den Niederlanden sitzen und davon ausgehen konnten, dass die deutsche Justiz da länger braucht, das durchzusetzen.“

Gibt der BGH DocMorris recht und das Verfahren geht zurück nach Düsseldorf, dann sei es erfahrungsgemäß so, dass die beiden Parteien oft über eine gütliche Einigung zu verhandel beginnen. „So wie ich den Prozess sehe, kommt das aber wahrscheinlich für beide Seiten nicht infrage“, sagt Herrmann.

Doch was passiert dann, falls DocMorris Schadenersatz in der Höhe – oder annähernd so hoch – zugesprochen bekommt, wie das Unternehmen fordert? Dann müsste die Kammer zahlen. In die Insolvenz rutschen kann sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht. Sie müsste die Mittel entweder aus eigenen Rücklagen aufbringen – oder ihre Mitglieder mit mehreren Tausend Euro pro Kopf zur Rechnung bitten.

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