Ein Fall für die Börsenaufsicht

Saudis bei Zur Rose: Die große Täuschung

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Berlin -

2017 sorgte der Einstieg des saudischen Königshauses beim DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose für Schlagzeilen. Doch im Herbst vergangenen Jahres – wenige Wochen vor der vorläufigen Absage des E-Rezepts – meldete der prominente Investor plötzlich, dass er gar nicht mehr zu den bedeutenden Aktionären gehört. Und zwar schon seit drei Jahren nicht mehr.

Über eine Beteiligungsgesellschaft mit dem Sympathie erheischenden Namen Matterhorn Pharma und Sitz auf Cayman Islands stieg die Al Faisaliah Group Anfang 2017 bei Zur Rose ein. Für 19 Millionen Schweizer Franken sicherte sich die saudische Investementgruppe damals 250.000 Aktien. Als „langfristige Investorin mit einem Fokus auf Investitionen im Gesundheitsbereich“ sehe man sich als „ideale Ergänzung des Aktionariats“ von Zur Rose, warben die Araber damals für ihr Angebot.

Vor allem der Kaufpreis von 76 Franken je Aktie stieß bei den Aktionären auf großes Interesse: 14 Prozent der Anteilsscheine hätte Al Faisaliah insgesamt übernehmen können, am Ende wurden es rund 8,4 Prozent. Im Zuge des Börsengangs ein halbes Jahr später verwässerten die Anteile auf 4,6 Prozent, woran sich seitdem scheinbar nichts mehr änderte. Umso überraschender kam Anfang November die Meldung, dass die Beteiligung auf weniger als 3 Prozent gesunken ist – und zwar bereits im Dezember 2018 in der Folge der Kapitalerhöhung, die zur Finanzierung der Übernahme von Medpex durchgeführt wurde. Im Extremfall könnte Al Faisaliah sogar schon komplett ausgestiegen sein: Unterhalb der Meldeschwelle müssen keine Angaben mehr gemacht werden.

Großaktionär nur auf dem Papier

Die Angelegenheit ist für den Kapitalmarkt durchaus relevant, immerhin konnten interessierte Anleger drei Jahre lang davon ausgehen, dass Al Faisaliah ein größeres Aktienpaket hält und die Strategie des Managements trägt, da ja scheinbar alle Kapitalmaßnahmen vollumfänglich begleitet wurden. Als Großaktionär war Al Faisaliah auch im Aktienregister von Zur Rose eingetragen gewesen – hier hätten Abweichungen zu den im eigenen Geschäftsbericht veröffentlichten Anteilen auffallen müssen. Unklar ist daher auch, ob bei den drei Generalversammlungen – zwei davon fanden coronabedingt nur virtuell und ohne Fragen oder Diskussionen statt – alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Bei Zur Rose sieht man kein Versäumnis: „Als Emittent haben wir die Meldung, so wie sie bei uns von Al Faisaliah eingereicht und anschließend auf der SIX-Plattform publiziert wurde, erfasst. Im Geschäftsbericht orientieren wir uns an der SIX-Plattform (Bilanzstichtag).“

Doppelrolle im Verwaltungsrat

Pikant ist in diesem Zusammenhang aber, dass der langjährige Präsident des Verwaltungsrats von Zur Rose, Professor Dr. Stefan Feuerstein, parallel in den Diensten des saudischen Investors steht: Er ist Chairman of the Board der Electronics and Systems Company, einer weiteren Beteiligungsgesellschaft von Al Faisaliah, unter der das Elektronikgeschäft gebündelt ist. Auch Florian Seubert, seit 2019 Mitglied im Verwaltungsrat von Zur Rose, ist in diesem Gremium des Investors. Wussten sie wirklich nichts darüber, dass Al Faisaliah bei der damals so wichtigen Finanzierungsrunde nicht mitziehen würde?

Hinzu kommt, dass es im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung auch beim zweiten Großaktionär Unregelmäßigkeiten gegeben hatte: Die Unternehmerfamilie Frey war der erste Investor bei Zur Rose; in zwei Tranchen hatte deren Beteiligungsfirma Corisol ein halbes Jahr vor Al Faisaliah für 40 Millionen Franken insgesamt 22 Prozent der Anteile übernommen. Durch den Einstieg des saudischen Königshauses und den Börsengang im Sommer 2017 sank der Anteil auf 14,5 Prozent.

Fehler der Hausbank?

Weiter marginalisiert wurde er durch die Kapitalerhöhung im Zusammenhang mit der Übernahme von Medpex im Dezember 2018. Um eine Verwässerung der Anteile zu vermeiden, hatte die Familie schon bei Bekanntgabe der Ausgabe neuer Aktien zu Protokoll gegeben, im vollen Umfang von den Bezugsrechten Gebrauch zu machen. Diese Absichtserklärung des Hauptaktionärs war natürlich auch als Botschaft an den Kapitalmarkt zu verstehen.

Doch dann platzte plötzlich die Bombe, dass die Familie doch nicht teilgenommen hatte: Erst war von einem Versehen der Hausbank die Rede, dann verzichtete die Familie auf die Nachlieferung der entsprechenden Aktien. Schon damals hatten Beobachter den Zwischenfall als Warnschuss gesehen. Die Zerwürfnisse zwischen Unternehmensleitung und Großaktionär waren nicht zu übersehen, Anfang 2020 verkaufte Corisol seine Anteile komplett.

Saudis droht Millionenstrafe

Nach Artikel 120 Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) sind Aktionäre zur Meldung ihrer Stimmrechte verpflichtet, wenn sie bestimmte Schwellen über- oder unterschreiten. Eine Frist ist im Gesetz nicht genannt, vielmehr wird die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) ermächtigt, Bestimmungen dazu zu erlassen. Ein Sprecher erklärt auf Nachfragen, dass entsprechende Meldungen „innert vier Börsentagen ab Entstehung der Meldepflicht zu erstatten“ sind. Die vorsätzliche Verletzung der Meldepflicht könne mit einer Buße bis zehn Millionen Franken bestraft werden, bei fahrlässiger Meldepflichtverletzung reicht der Strafrahmen bis 100.000 Franken.

Die Al Faisaliah Group wurde 1970 von Abdullah Al Faisal gegründet, Enkel von Staatsgründer Abd al-Aziz ibn Saud und ältester Sohn von Faisal bin Abdulaziz Al Saud, saudischer König von 1964 bis 1975. Seit seinem Tod im Jahr 2007 steht Prinz Faisal Al Abdullah Al Faisal an der Spitze der Gruppe, die hauptsächlich in den Bereichen Elektronik, Landwirtschaft, Lebensmittel und Healthcare aktiv ist. Strategische Partnerschaften gibt es mit global bekannten Namen wie Philips, Danone, Sony und Accenture.

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