OTC-Hersteller

Sanofi lässt Boehringer den Vortritt Patrick Hollstein, 01.06.2016 14:54 Uhr

Athen - 

Merial gegen Thomae: Sanofi will seine Veterinärsparte gegen das OTC-Geschäft von Boehringer Ingelheim tauschen. Noch im Juni soll der Vertrag unterzeichnet werden, spätestens zum Jahresende soll die Transaktion abgeschlossen sein. Die Mitarbeiter in Ingelheim können aufatmen: Die neue OTC-Sparte soll nicht von Berlin aus betreut werden.

Wie Vincent Warnery, Senior Vice President Global Consumer Health Care Division bei Sanofi, beim Jahreskongress des europäischen OTC-Verbands AESGP in Athen sagte, soll das Boehringer-Team im Bereich Consumer Healthcare (CHC) nach der Fusion im Lead bleiben.

Laut Warnery wird es keinen Umzug an den deutschen Hauptsitz von Sanofi in Berlin geben. Die Mitarbeiter in Ingelheim machten einen guten Job; man habe nicht vor, dies zu stören. Warnery sprach von einer „inversen Integration“: Boehringer sei im OTC-Bereich die Nummer 4, Sanofi mit Winthrop/Zentiva nur die Nummer 34. Da sei Dogmatismus nicht angebracht.

Bei Sanofi sei man überhaupt erst 2009 wieder ins OTC-Geschäft eingestiegen. 2009 sei die Sparte mit damals 1,4 Milliarden Euro Umsatz intern noch als Wachstumsbereich gesehen worden. Seit vergangenem Jahr sei CHC ein eigenständiger Geschäftsbereich mit Erlösen von 3,7 Milliarden Euro.

2010 hatte Sanofi den US-Hersteller Chattem übernommen – und laut Warnery bei der Integration darauf geachtet, die bestehenden Strukturen nicht zu zerstören. So habe man den Hauptsitz in Chattanooga, Tennessee, beibehalten. „Wir haben eigentlich nichts verändert, heute ist Chattem der am schnellsten wachsende OTC-Hersteller.“

Bei früheren Übernahmen habe man viele Fehler gemacht, aus denen man aber gelernt habe. So scheitere die Integration immer dann, wenn man die Mitarbeiter und die kulturellen Besonderheiten nicht berücksichtige und schütze. Oft arbeiteten die Teams vor Ort schneller und effizienter, wen man ihnen keine Konzernregeln überstülpe. „Wir sind nicht besessen von globalen Marken.“

Boehringer passe perfekt. Nach dem Deal, der im Juni unterzeichnet und spätestens zum Jahresende abgeschlossen sein soll, sei man sechs wichtigen Kategorien (Allergie, Vitamine, Verdauungstrakt, Frauengesundheit, Schmerzen, Erkältung) präsent. Mit Buscopan, Dulcolax, Mucosolvan/Bisolvon und Pharmaton habe man dann 15 Marken mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz im Sortiment. Außerdem sei man dann auch in Deutschland, Japan, Spanien und Polen unter den Top-5.

Warnery sieht Raum für weitere Zukäufe: Die Top-3 im globalen OTC-Geschäft, an deren Spitze Boehringer/Sanofi künftig mit 5,2 Milliarden Euro läge, kämen gemeinsam gerade auf einen Marktanteil von 15 Prozent. „Es wird weiter interessante Übernahmekandidaten geben.“ Tauschgeschäfte seien immer dann eine Option, wenn die Größe passe.

Innerhalb der Branche will sich Sanofi auch mit OTC-Switches einen Namen machen. 2011 erreichte der Konzern, dass das Antiallergikum Allegra (Fexofenadin) in den USA aus der Verschreibungspflicht entlassen wurde. 2014 folgte Nasacort, ein Nasenspray mit Triamcinolon. Aktuell arbeitet der Konzern gemeinsam mit Lilly am Switch von Cialis (Tadalafil). „Wir wollen zu einer Referenz im Bereich OTC-Switches werden“, so Warnery.

Boehringer und Sanofi hatten sich Ende vergangenen Jahres auf den groben Rahmen geeinigt: Der französische Konzern gibt seine Veterinärsparte Merial ab, die mit 11,4 Milliarden Euro bewertet wird. Boehringer überträgt im Gegenzug sein OTC-Geschäft im Wert von 6,7 Milliarden Euro und zahlt zusätzlich 4,7 Milliarden Euro.