Grippeimpfstoffe

Sanofi kann Apothekervertrag nicht stoppen APOTHEKE ADHOC, 09.05.2018 14:21 Uhr

Berlin - 

Sanofi hat mit einem Eilantrag versucht, die in der Impfstoffvereinbarung zwischen dem Berliner Apothekerverband (BAV) und der AOK Nordost festgelegten Preise für tetravalente Grippeimpfstoffe außer Kraft zu setzen. Das Sozialgericht Frankfurt konnte der französische Konzern aber nicht überzeugen. Der Antrag wurde abgelehnt.

Der Vertrag sieht einen Preis von 10,95 Euro pro Impfdosis vor. Sanofi beanstandet, dass die Vereinbarung für die Grippesaison 2018/19 zu einem De-Facto-Monopol für Influvac Tetra von Mylan führen wird, da die Ärzte durch die Festpreisvereinbarung zu Wirkstoffverordnungen angehalten werden. Da Grippeimpfstoffe nicht wirkstoffgleich und damit nicht substituierbar seien, führe die Regelung dazu, dass die Apotheken aus Kostengründen lediglich die Vakzine von Mylan abgeben. Der Sanofi-Impfstoff Vaxigrip Tetra hat in der Zehnerpackung einen Listenpreis 12,54 Euro pro Impfdosis.

AOK Nordost und BAV widersprechen dem erwartungsgemäß. Sanofi sei schlicht mit dem Preis unzufrieden und wolle höhere Preise durchsetzen. Bereits in den letzten Jahren habe es ähnliche Preisvereinbarungen gegeben – ohne dass jemand sie beanstandet hätte. Es handle sich um produktneutrale Preisvereinbarungen, die Auswahl der Produkte werde weiterhin den Ärzten und Apothekern überlassen.

Sanofi geht davon aus, in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in der kommenden Saison eigentlich rund 630.000 Dosen von Vaxigrip Tetra verkaufen zu können. Durch die Vereinbarung drohe ein Absatzverlust von 543.000 Dosen – der Marktanteil sinke von 29 Prozent auf 4 Prozent.

Bei einem Nettoverkaufspreis von 8,65 Euro sei deshalb mit einem Umsatzverlust von 4,7 Millionen Euro zu rechnen – laut Antrag 31 Prozent des Gesamtumsatzes. Außerdem spielte Sanofi die Karte Versorgungssicherheit: Die sei gefährdet, weil Lieferengpässe oder -ausfälle nicht mehr ausgeglichen werden können. Apotheker in anderen Bundesländern berichten bereits davon, dass Sanofi mit einem „sehr offensiven“ Außendienst versuche, seinen Marktanteil zu sichern.

Das Gericht folgte der Argumentation jedoch nicht. Es erklärte sich für nicht zuständig. Sanofi übersehe, so die Richter, „dass das vorliegende Verfahren [...] ausdrücklich von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ausgenommen wird“. Ob die Vereinbarungen rechtswidrig sind, weil an Stelle der Preisvereinbarung ein Vergabeverfahren hätte durchgeführt werden müssen, entscheide die Vergabekammer des Bundes beziehungsweise das Oberlandesgericht Düsseldorf. Hier hat GlaxoSmithKline (GSK) als dritter Hersteller eines tetravalenten Grippeimpfstoffs (Influsplit Tetra) bereits Beschwerde eingereicht.

Die Region Nordost – bestehend aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern – war bundesweit die erste, die für die Impfsaison 2018/2019 eine Vereinbarung zu quadrivalenten Impfstoffen ausgehandelt hat. Federführend waren dabei AOK Nordost und BAV. In der kommenden Saison werden durch den Wechsel von tri- zu tetravalenten Impfstoffen Mehrkosten von voraussichtlich 7 Millionen Euro auf die Kassen zukommen.

Die Vereinbarung hatte Kritik aus Politik und Pharmaindustrie auf sich gezogen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) warf der AOK vor, sie umgehe damit geltendes Recht, denn die Bundesregierung habe mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) exklusive Rabattverträge für Impfstoffe wegen latenter Versorgungsprobleme verboten. Die Kasse betreibe eine „Versorgungssteuerung durch die Hintertür“, so der stellvertretende BPI-Hauptgeschäftsführer Norbert Gerbsch. Die AOK versuchte vor dem Landgericht Berlin, die BPI-Kritik durch eine einstweilige Verfügung zu unterbinden, scheiterte aber.

Die Impfstoffvereinbarung in Berlin existiert bereits seit 2011 und funktioniert wie folgt: Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) fordert die Mediziner auf, Grippeimpfstoffe generisch zu verordnen und die Bestellungen möglichst früh in einer Apotheke ihrer Wahl abzugeben. Überlässt die Praxis ihrem Lieferanten die Auswahl des Impfstoffs, gilt ein zwischen den Vertragspartnern vereinbarter Festpreis pro Impfdosis.

Der BAV wiederum schließt über seine Tochterfirma D.S.C. Verträge mit den Herstellern. Der frühzeitige Auftragseingang ermöglicht es den Firmen, ihre Produktion entsprechend dem Bedarf zu planen; in den vergangenen Jahren lief das Procedere sogar schon im Januar. Die Apotheken profitieren wiederum von günstigen Konditionen. Entschließt sich eine Apotheke, sich in Eigenregie um die Beschaffung eines Grippeimpfstoffs zu kümmern, muss sie selbst zusehen, dass sie kostendeckend arbeiten kann.