Wird Genuss-Cannabis ein neues Segment für Apotheken oder geht der Markt an ihnen vorbei? Im Zusammenhang mit der geplanten Legalisierung bringen sich bekannte und neue Player in Stellung – mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen. Die Sanity Group etwa bedauert, dass es keinen Versandhandel geben soll.
„Wir freuen uns sehr, dass die Bundesregierung die geplante kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken an Erwachsene aktiv vorantreibt“, so Sanity-Gründer Finn Hänsel. Das im Kabinett beschlossene Eckpunktepapier sei ein erster Aufschlag, den es im Laufe des parlamentarischen Prozesses zu verfeinern gelte. „Viele der Eckpunkte entsprechen unseren Erwartungen, wie zum Beispiel der Wegfall einer THC-Obergrenze, strenge Alterskontrollen bei der Abgabe in lizenzierten Geschäften und die Streichung von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz. Andere Punkte wie ein generelles Werbeverbot, kein Versandhandel und fehlende Importmöglichkeiten aus anderen Ländern sind aus unserer Sicht nicht sinnvoll, gerade im Hinblick auf die Bekämpfung des illegalen Markts und um den Marktbedarf zu decken.“
Abgabestellen mit strengem Jugendschutz seien sinnvoll, ohne Versandhandel werde das eigentliche Ziel verfehlt: „Gerade dieser kann einen großen Beitrag zur Verdrängung des illegalen Markts leisten, da nur damit auch ländliche Regionen bedient werden können“, so Hänsel, der sich auch eine breitere Produktvielfalt wünscht: Laut Eckpunktepapier sollen Darreichungsformen zum Rauchen, Inhalieren, zur nasalen und oralen Aufnahme in Form von Kapseln, Sprays und Tropfen erlaubt werden. Edibles, also Lebensmittel, denen Cannabis zugefügt wird, sollen dagegen zunächst nicht erlaubt werden. „Durch die Einschränkung der Darreichungsformen gibt man dem illegalen Markt ein Einfallstor, zukünftig vermehrt Edibles anzubieten“, gibt Hänsel zu bedenken.
Gut findet er, dass eine THC-Obergrenze nicht mehr angedacht ist: „Eine Begrenzung des THC-Gehalts hätte dazu geführt, dass der illegale Markt auch weiterhin mit hochprozentigen THC-Produkten floriert und viele Konsument:innen gar nicht erst vom illegalen auf den legalen Markt wechseln werden. Eine Begrenzung wäre daher kontraproduktiv gewesen.“
Problematisch sieht er, dass der Anbau ausschließlich in Deutschland erfolgen soll: „Die nationale Nachfrage wird nicht allein durch eine deutsche Produktion gedeckt werden können. Die Produktion in Deutschland ist zudem teuer und sehr energieintensiv, was sich auf den Verkaufspreis auswirken wird. Ein Import aus EU- und Nicht-EU-Ländern muss deshalb aus unserer Sicht ermöglicht werden, um die Nachfrage zu decken und den illegalen Markt zurückzudrängen – insbesondere unmittelbar nach Implementierung der Legalisierung.”
Kritisch findet er auch ein generelles Werbeverbot. Eine Einschränkung sei aus Gründen des Jugendschutzes zwar nachvollziehbar, aber gewisse Produktinformationen seien unerlässlich für Aufklärung und Entstigmatisierung. „Es entwickelt sich ein komplett neuer legaler Markt, in dem sich Konsument:innen verantwortungsbewusst orientieren müssen. Damit diese eine informierte und bedachte Kaufentscheidung treffen können, braucht es auch die Möglichkeit für die Anbieter, sich voneinander abgrenzen zu können, zum Beispiel durch Produktdesign und informative Werbematerialien.“
Außerdem müssten parallel die Regeln für Medizinalcannabis und Nutzhanf angepasst werden, da die Legalisierung von Genusscannabis massive Auswirkungen auch auf diese beiden Bereiche haben dürfte. „Mit den weiterhin bestehenden Hürden der Kostenerstattung für medizinisches Cannabis besteht insbesondere die Gefahr, dass sich Patient:innen mit Genusscannabis ohne ärztliche Beratung selbst therapieren.“
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