Deckel für DocMorris, Prämie für Präsenzapotheke Lothar Klein, 24.03.2017 10:25 Uhr
In der entscheidenden Phase des Tauziehens um das Rx-Versandverbot hat die Union die Position von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erheblich geschwächt: Das von Wolfgang Schäuble (CDU) geführte Finanzministerium hat ebenfalls Bedenken angemeldet und seine Zustimmung vom Bundeswirtschaftsministerium abhängig gemacht. Damit steht die SPD nicht mehr allein als Nein-Sager da. Womöglich muss jetzt doch der Koalitionsgipfel entscheiden. Nachdem der Termin verlegt wurde, nimmt jetzt auch SPD-Chef Martin Schulz teil. Im Gespräch ist eine neue Variante, Boni nur für ausländische Versender zu erlauben.
Die SPD ist nach den Bedenken aus dem BMF in einer strategisch günstigeren Position. Da das Rx-Versandverbot aus Sicht der Sozialdemokraten nun endgültig vom Tisch ist, sind neue Ideen gefragt: So könnten beispielsweise im Sozialgesetzbuch nur Rx-Boni für ausländische Versandapotheken zugelassen werden, heißt es aus Koalitionskreisen.
Damit käme man der ABDA-Forderung entgegen, einen Preiswettbewerb für inländische Apotheken zu vermeiden. Als Kompensation steht eine Erhöhung des Nacht- und Notdienstzuschlags für Landapotheken im Raum. Zudem könnten die Rx-Boni der EU-Versender zeitlich befristet gedeckelt werden, im Gespräch ist ein Wert von 2,50 Euro für anderthalb Jahre. Diese Zahlen seien aber noch ins Unreine gesprochen, heißt es aus Koalitionskreisen. Derzeit sei alles denkbar.
Das Bundesfinanzministerium sieht durch das Rx-Versandverbot jedenfalls finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt. Die Arbeitsebene beruft sich in seiner Einschätzung auf das von den Versandapotheken bei Professor Christian Koenig in Auftrag gegebene Gutachten, das eine Staatshaftung für entgangene Gewinne von DocMorris oder der Europa Apotheek sieht. Auch nach Ansicht des Vorsitzenden der Monopolkommission, Professor Dr. Achim Wambach, lasse sich ein Rx-Versandverbot „europa- und verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen“, schreibt das BMF.
„Die vorgebrachten Stellungnahmen verweisen auf die Möglichkeit eines beträchtlichen fiskalischen Risikos, das ausgeschlossen werden sollte“, mailten Schäubles Beamte Mitte März an das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Daher könne die Zustimmung des Finanzministeriums erst erfolgen, wenn „im Ressortkreis – insbesondere von dem für unionsrechtliche Fragestellungen zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – einvernehmlich bestätigt“ werde, dass das Rx-Versandverbot mit dem Europarecht vereinbar sei und „ein Verbot in keinem Fall ein Staatshaftungsrisiko begründet und keine fiskalischen Risiken für den Bundeshaushalt entstehen können“.
Zudem verweist das BMF im Fall eines Rx-Versandverbotes auf mögliche Konflikte mit dem Botendienst der Apotheken. Erforderlich sei in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) eine Präzisierung des „Einzugsbereichs“ um Präsenzapotheken für den Botendienst. „Konkret könnte unklar sein, wie der ‚Einzugsbereich‘ zu verstehen ist“, schreibt das BMF. Außerdem komme in der ApBetrO der geforderte Bezug zwischen der abgebenden Apotheke und dem Patienten nicht klar zum Ausdruck. Hier sei eine Präzisierung „wünschenswert, um hinreichende der Rechtsklarheit zu schaffen“.
Mit dem BMF-Votum steht Gesundheitsminister Gröhe vor einem doppelten politischen Dilemma. Er kann die SPD nicht mehr alleine als Blockierer seines Rx-Versandverbotes an den Pranger stellen. Seine Pläne, mit dem Thema im NRW-Landtagswahlkampf zu Punkten, sind ebenfalls durchkreuzt. Zugleich dürfte mit dem Veto des CDU-geführten BMF auch die bislang einigermaßen geschlossene Haltung der Unionsfraktion in Frage stehen. Gleichzeitig wächst jetzt der Druck auf Gröhe, doch noch einen gesichtswahrenden Kompromiss in der Koalition zu finden.
Nach dem BMF-Veto ist der Ausgang des Tauziehens unklarer denn je. Die letzte Chance auf eine Einigung besteht womöglich im Koalitionsausschuss am Mittwochabend. Nachdem der Termin auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde, nimmt jetzt auch SPD-Chef Martin Schulz daran teil. Zuvor kann er wie gewünscht den Frühlingsempfang der SPD-Bundestagsfraktion besuchen.
Schulz wurde mehrfach über das Thema Rx-Versandverbot von den SPD-Gesundheitspolitikern gebrieft. Ob das Rx-Versandverbot in der Runde der Parteichefs mit Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer tatsächlich gehandelt wird, ist aber offen. Die CSU hat das Rx-Versandverbot zwar auf die Tagesordnung für den Koalitionsausschuss gesetzt. Welche Themen aus diesem Katalog dort besprochen werden, entscheidet sich erst kurz davor.
Eigentlich sollte das Rx-Versandverbot schon am 7. März im Koalitionsausschuss besprochen werden. Doch Seehofer hatte das treffen krankheitsbedingt abgesagt. Im Koalitionsausschuss soll geklärt werden, welche Gesetzesvorhaben die Koalition trotz des heraufziehenden Wahlkampfs in dieser Legislaturperiode noch schaffen kann. Unter anderem sollte auch über strittige Gesundheitsthemen gesprochen werden. Auf der Tagesordnung stand das Pflegeberufegesetz.