Versandapotheke: Gratisversand ist Botendienst Alexander Müller, 23.07.2014 10:42 Uhr
Der Streit um den Gratisversand von Rx-Arzneimitteln wird voraussichtlich vor Gericht gehen: Die Bodyguard-Apotheke wird gegenüber dem Bestellportal Aponow keine Unterlassungserklärung abgeben. Die Versandapotheke sieht keinen Unterschied zwischen ihrem Grativersand und dem kostenlosen Botendienst der Vor-Ort-Apotheken.
Aponow-Chef Markus Bönig hatte die Bodyguard-Apotheke (Einhorn-Apotheke, Pforzheim) abgemahnt, weil diese ihren Kunden nur beim Einreichen eines Rezeptes oder ab einem OTC-Mindestbestellwert die Versandgebühr von 3,95 Euro erlässt. Damit verstoße die Versandapotheke gegen das Rx-Boni-Verbot, so das Argument.
Aus Sicht der Bodyguard-Apotheke ist die Abmahnung unberechtigt. Der Erlass der Versandkosten sei eine „handelsübliche Nebenleistung“, heißt es in der Stellungnahme der Anwälte. Die meisten Versender würden bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einen Gratisversand anbieten. Der Erlass sei also branchenüblich, so die Hamburger Kanzlei Diekmann, die auch große europäische Versandapotheken vertritt.
Ausdrücklich erlaubt sei zudem die Erstattung von Fahrtkosten im öffentlichen Nahverkehr. Der Gratis-Versand sei im Grunde nichts anderes. Wenn eine Vor-Ort-Apotheke ihren Kunden die bei Abholung eines Arzneimittels entstehenden Fahrtkosten erstatten könne, müsse dies für Versender auch gelten. Schließlich erfülle der Versand denselben Zweck.
Zum Vergleich zieht die Kanzlei Diekmann Fahrkartenpreise von Hamburg und Pforzheim heran und kommt auf Fahrtkosten von 3 bis 5 Euro, die typischerweise für eine Hin- und Rückfahrt zur Vor-Ort-Apotheke anfallen würden. Damit sei der Erlass der Gebühr in Höhe von 3,95 Euro – den die Versandapotheke bei OTC- und Freiwahlartikeln erhebt – vergleichbar.
Die kostenlose Zustellung von Arzneimitteln durch einen Boten sei in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ausdrücklich erlaubt und gehöre bei vielen Apotheken zum Service, heißt es in der Stellungnahme weiter. Die Kosten des Botendienstes dürften die Versandkosten einer Online-Apotheke sogar um ein Vielfaches übersteigen.
Der Erlass der Versandgebühr sei schon deshalb kein Verstoß gegen die Preisvorschriften, weil die Arzneimittel zum selben Preis verkauft würden wie in der Apotheke vor Ort. Bei Abholung fielen dort schließlich auch keine Versandkosten an. Zwangsläufig Versandgebühren zu verlangen wäre demnach sogar eine unangemessene Benachteiligung von Versandapotheken. In der Konsequenz dürften Apotheken ihren Kunden auch keine kostenlosen Parkplätze anbieten, so die Anwälte.
Bei Aponow können Kunden im Internet Medikamente in einer Apotheke vorbestellen und später abholen oder sich liefern lassen. Durch die auf Rx-Arzneimittel beschränkten Gratisversand der Versandkonkurrenten sieht Bönigs Anwalt Dr. Morton Douglas das Preisrecht verletzt. Die Versender versuchten damit gezielt, Rezepte zu sich zu leiten.
In seiner Stellungnahme dreht Rechtsanwalt Henning Stoffregen von der Kanzlei Diekmann den Spieß um: Aponow verzichte bei seinem Angebot zu Rezepteinsendungen selbst auf Versand-, Porto- oder Fahrtkosten. Über den ebenfalls von Bönig betriebenen Dienst Ordermed könnten die Kunden sogar kostenlos Folgerezepte beim Arzt anfordern.
Noch steht nicht fest, ob sich die Parteien vor Gericht treffen werden. Sollte es zu einem Verfahren kommen, stünde die nächste Grundsatzfrage zu Rx-Boni zur Klärung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bereits umfangreich mit Zugaben bei der Rezepteinlösung befasst.