Kein Mehrverbrauch zu erwarten

Rx-Boni: Generalanwalt sieht kein Risiko Patrick Hollstein, 24.10.2024 14:41 Uhr aktualisiert am 24.10.2024 15:31 Uhr

Generalanwalt Maciej Szpunar sieht in Rx-Boni keine unzulässige Rx-Werbung. Foto: EuGH
Berlin - 

Eigentlich sind Rx-Boni auf Kassenrezept nach deutschem Recht unzulässig, doch um die wieder vermehrt ausgelobten Rabatte und Gutschriften der Versender kümmert sich hierzulande niemand. Bei der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hatte man zuletzt noch gehofft, wenigstens eine Sperre über das europäische Werbeverbot für Rx-Medikamente erwirken zu können. Doch der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) sieht kein Risiko.

Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist laut EU-Richtlinie verboten, aber diese Vorschrift lässt sich laut Generalanwalt Maciej Szpunar nicht auf die Prämien von DocMorris anwenden: „Das vorrangige Ziel der Rabattaktionen ist es, die Patienten dazu zu bewegen, sich für die Apotheke DocMorris und nicht für eine andere Apotheke zu entscheiden. Sie sollen die Patienten nicht dazu verleiten, mehr Arzneimittel zu verbrauchen, als sie es sonst tun würden.“

Vielmehr versuche die ausländische „Apotheke“, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, indem sie einen „stabilen Strom von Bestellungen“ generiere: „Da Patienten, die auf verschreibungspflichtige Arzneimittel angewiesen sind, häufig an chronischen, möglicherweise unheilbaren Krankheiten leiden, sind sie über einen längeren Zeitraum auf solche Arzneimittel angewiesen. Die Apotheken wollen natürlich an diesem lukrativen Markt teilhaben, bei dem ein Rezept oft Teil eines größeren ‚Abonnements‘ ist.“

Nach seiner Ansicht sind „Rabattaktionen einer Apotheke, bei denen den Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein Vorteil in Form eines sofortigen Barrabatts, eines Gutscheins über einen bestimmten Geldbetrag oder einer prozentualen Ermäßigung für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte (nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel oder nicht verschreibungspflichtige Gesundheits- oder Schönheitsprodukte) angeboten wird“, keine „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne der EU-Richtlinie.

Für den Fall, dass die Richter zu einem anderen Ergebnis kommen, spielt es laut Szpunar dann keine Rolle mehr, ob der Vorteil in Form eines Preisnachlasses oder später einzulösenden Gutscheins angeboten wird. Alle solche Rabatte wären dann untersagt.

Szpunar ist übrigens derselbe Generalanwalt, der sich 2016 bereits gegen die Rx-Preisbindung ausgesprochen hatte. Damals war der EuGH seinen Schlussanträgen gefolgt. Diesmal wird ein Urteil in einigen Monaten erwartet.

Streit um Schadenersatz

Das Verfahren, in dem es eigentlich um Schadenersatzforderungen von DocMorris gegen die AKNR geht, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Luxemburg vorgelegt. Die Richter in Karlsruhe sahen keinen Anlass, noch einmal über die Rx-Preisbindung zu sprechen. Egal, ob sie wie früher im § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) oder heute in § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert ist: Laut BGH wurde der Festpreis, was ausländische Versender angeht, durch das EuGH-Urteil ein für allemal für unzulässig erklärt.

Auch der BGH hielt die Rx-Boni nicht schon für unzulässig nach Artikel 88 der Richtlinie, derzufolge jegliche Werbung für Rx-Medikamente generell untersagt ist. Die Aktionen hätten den Zweck, „dass sich ein Patient beim Bezug eines ihm bereits verschriebenen Arzneimittels für eine bestimmte Apotheke entscheidet“. Und weiter: „Preiswerbung beim Vertrieb verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist Bestandteil des Wettbewerbs und wird nicht [...] erfasst.“

Rabatt ja, Gutschein nein

Allerdings differenzierte der BGH in seinen Überlegungen zwischen Barrabatt und Gutscheinen. Letztere könnten viel eher zu einer unsachgemäßen Beeinflussung führen könnten: Während der Preis im Wettbewerb ein übliches Kriterium für Verbraucher sei und das ohnehin gewünschte oder benötigte Medikament durch den Abzug nur günstiger werde, bestehe bei der Aussicht auf eine Prämie die Gefahr, dass sich Verbraucher ein gar nicht benötigtes Medikament verschreiben ließen, so die Logik.

Dass Gewinnspiele verboten, Preisschlachten aber erlaubt sind, steht laut BGH in keinem Widerspruch. Auch die Warenverkehrsfreiheit werde nicht berührt, da die Vorgaben unterschiedslos für alle Apotheken gelten, die in Deutschland Arzneimittel verkaufen.

Alles wieder offen

Zur Schadenersatzforderung von DocMorris gegenüber der AKNR äußert Szpunar sich nicht. Die 18 Millionen Euro schwere Klage hatte der BGH vor dem Hintergrund seiner Überlegungen kritisch gesehen: Denn von den fünf seinerzeit erfolgreich angegriffenen Verfahren wären – nach der BGH-Lesart – drei auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils gegen DocMorris ausgegangen: Weder Prämie für Arzneimittelcheck noch Hotel-Gutschein, Adac-Mitgliedschaft oder 10-Euro-Gutschrift ließen sich als Barrabatt einstufen. Und Schadenersatz für ungerechtfertigt erwirkte einstweilige Verfügungen gibt es nur, wenn nicht noch andere Verbote gegriffen hätten. Da Szpunar hier keinen Unterschied gemacht hat, könnte die Entscheidung am Ende doch noch anders ausgehen.