Rx-Boni

DocMorris-Ordnungsgelder aufgehoben – Kammer zahlt Verfahren

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Berlin -

Auf die Apothekerkammer Nordrhein kommen möglicherweise hohe Gerichtskosten zu. Das Landgericht Köln hat mehrere Ordnungsgeldbeschlüsse gegen DocMorris aufgehoben und die gesamten Verfahrenkosten der klagenden Kammer auferlegt. Die niederländische Versandapotheke hat erfolgreich auf Zeit gespielt und profitiert jetzt vom EuGH-Urteil. Die Kammer kann gegen die Urteile aber noch in Berufung gehen.

Jahrelang hat DocMorris mehr oder weniger versteckt Rx-Boni gewährt, obwohl dies gegen deutsches Recht verstößt. Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hatte die niederländische Versandapotheke deshalb mehrfach verklagt und war vor Gericht auch erfolgreich. Schon Ende 2012 hatte die Kammer eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Köln (LG) erwirkt. Die Richter sahen im „Arzneimittelcheck“ einen getarnten Rx-Bonus und verboten auch Abwandlungen des Rabattmodells der Zur Rose-Tochter. Das Oberlandesgericht Köln (OLG) bestätigte die Entscheidungen.

Weil DocMorris gegen die gerichtlichen Verbote verstieß, wurden in mehreren Fällen rechtskräftig Ordnungsgelder gegen die Versandapotheke verhängt – in insgesamt siebenstelliger Höhe. Die DocMorris-Anwälte rieten ihrer Mandantin jedoch dazu, nicht zu bezahlen. In diesem Fall werden fällige Beträge normalerweise gepfändet. Das war in diesem Fall mit einer Vollstreckung im Ausland aber nicht so einfach. Zudem hat DocMorris es geschickt verstanden, eigene Ansprüche – etwa gegenüber den Krankenkassen – an Dritte abzutreten, um eine Pfändung zu vermeiden.

Der Plan ging auf: In mehreren Fällen verjährten die Ordnungsgelder, DocMorris hatte die Strafen einfach ausgesessen. Und dann urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 19. Oktober 2016, dass ausländische Versandapotheken bei der Bonusgewährung nicht an die deutschen Preisvorschriften gebunden sind. Nach diesem Erfolg in Luxemburg ging DocMorris schnell zurück zum LG Köln und beantragte die Aufhebung der Beschlüsse, auf denen die Ordnungsgelder fußen.

Das LG hat diesem Antrag stattgegeben und seine eigene einstweilige Verfügung aus dem Jahr 2013 aufgehoben – und zwar „ex tunc“, also ab dem Zeitpunkt des Erlasses. Mit anderen Worten: DocMorris hätte die Boni-Gewährung nie verboten werden dürfen, weshalb auch die Ordnungsgelder zu Unrecht verhängt wurden. Das LG sah sich angesichts der Entscheidung des EuGH gezwungen, seine frühere Rechtsprechung zu korrigieren.

Die Zivilprozessordnung spricht von einer „Aufhebung wegen veränderter Umstände“. In diesem Fall hatte das LG seine früheren Urteile auf vermeintliche Verstöße von DocMorris gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) gestützt. Das sei nach dem EuGH-Urteil nicht mehr möglich, wonach die Preisvorschriften für EU-Versender gar keine Anwendung finden.

Das Bonus-Verbot stattdessen mit dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) zu begründen, sei im Lichte der Luxemburger Entscheidung ebenfalls nicht mehr möglich. Das Gericht teile die Auffassung von DocMorris, dass die unionsrechtlichen Aspekte der EuGH-Entscheidung auf das HWG zu übertragen seien. „Man kann nicht einerseits EU-ausländischen Versandapotheken das Recht einräumen, mittels frei von ihnen zu bestimmenden Preisen Zugang zum deutschen Markt zu erhalten, andererseits aber die Art und Weise, wie ein geldwerter Vorteil gewährt wird, mittels des § 7 HWG wiederum einschränken“, heißt es zur Begründung.

Die AKNR hatte es noch auf einem anderen Weg versucht: Rx-Boni seien auch nach dem Rahmenvertrag zwischen GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) unzulässig. Doch darauf ließ sich das Gericht nicht ein, weil die Kammer diesen Punkt in den Ausgangsverfahren nie vorgetragen hatte.

Und selbst wenn, wäre der Rahmenvertrag aus Sicht des LG keine Hürde gewesen. Das sehe der GKV-Spitzenverband selbst so. Die Richter zitieren eine Stellungnahme des Kassenverbands, wonach auch der Rahmenvertrag keine europarechtwidirgen Vorgaben machen dürfe. Wenn selbst der GKV-Spitzeverband als maßgebliche Vertragspartei keinen Verstoß anzunehmen vermöge, könne sich die Apothekerkammer als außenstehende Dritte „nicht zur ‚Hüterin des Rechts‘ aufschwingen“. Überdies falle der Rahmenvertrag nicht unter das Wettbewerbsrecht.

Auch den letzten Versuch der Kammer, die einstweilige Verfügung auf eine Irreführung gemäß des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb zu stützen, schmetterte das LG ab. „Gerügt wurde einzig und allein der Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung“, heißt es im Urteil.

Die Richter erkennen an, dass sie seinerzeit falsch gelegen haben: „Die Anordnung der einstweiligen Verfügung war im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19.10.2016 von Anfang an unbegründet, sie hätte bei zutreffender Gesetzesanwendung nicht erlassen werden dürfen.“

Obwohl der EuGH von der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte abgewichen war, wurde damit aus Sicht des LG keine neue Rechtslage geschaffen. Auch die obersten Bundesrichter hätten die Rechtsfrage eben anders auslegen müssen. „Es liegt daher ein Fall einer von Anfang an unbegründeten Entscheidung vor“, heißt es im Urteil.

Das Gericht hat die gesamten Prozesskosten der Apothekerkammer auferlegt. Weil dies sowohl das Anordnungs- und Widerspruchsverfahren, als auch das Aufhebungsverfahren betrifft, kommt Einiges zusammen. Die Kammer trägt die Gerichtskosten und die Anwaltskosten für sich und die Gegenseite – jeweils festgelegte Sätze aus dem Streitwert von in diesem Fall 100.000 Euro. Insgesamt gab es allerdings fünf Verfahren zwischen Kammer und DocMorris, es dürfte allein an Verfahrenskosten um einen rund sechsstelligen Betrag gehen. Diese Entscheidungen könnte die Versandapotheke nun allesamt noch abräumen. Allerdings kann die AKNR noch in Berufung gehen.

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