Trotz gesetzlicher Verbote gewähren die Versender DocMorris und Shop Apotheke ihren Kund:innen aktuell wieder Rx-Boni. Die Zur-Rose-Tochter betreibt ein Treueprogramm, Shop Apotheke verschickt jetzt Gutscheine mit der Post. E-Rezepte sind in beiden Fällen ausgeschlossen.
Ausgangslage: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Oktober 2016 entschieden, dass sie EU-Versender bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht an die deutschen Preisvorschriften halten müssen. Als Reaktion auf das Urteil hatte die damalige Große Koalition schließlich Ende 2020 ein Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert. Gegenüber gesetzlichen Versicherten sind Rabatte auf Rezept seitdem allgemein verboten. Die EU-Kommission hat dieses Vorgehen der deutschen Regierung im Sommer vergangenen Jahres schließlich abgenickt.
Das ohnehin chronisch schwache Rx-Geschäft der Versandapotheken hat unter dieser Gesetzgebung weiter extrem gelitten. Dass das E-Rezept nun länger auf sich warten lässt, bringt die Versender umso mehr in die Bredouille. Akzeptiert wird die neue Gesetzeslage daher nicht mehr. In einem Schreiben an die Kund:innen erklärt Shop Apotheke, dass es seit Inkrafttreten des Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) am 15. Dezember 2020 unzulässig ist, Rabatte bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu gewähren. „Wir halten dieses Verbot für europarechtswidrig. Darum haben wir uns entschieden, Ihnen als treuen Kunden einen Rezept Bonus zu gewähren.“
Groß beworben wird der Rabatt nicht, Shop Apotheke setzt auf eine Einzelaktion: „Zusätzlich 2,50 Euro Bonus für Ihre nächste Kassenrezept-Einsendung“, heißt es auf dem Kundenschreiben, das APOTHEKE ADHOC vorliegt. Der Gutschein muss zusammen mit mindestens einem Kassenrezept per Post an Shop-Apotheke geschickt werden. Der Bonus wird direkt verrechnet, sofern nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mitbestellt werden. Restbeträge werden dem Kundenkonto gutgeschrieben. Die Aktion ist bis Ende Mai befristet, die Gutschrift soll aber darüber hinaus erhalten bleiben.
DocMorris wiederum wirbt gegenüber Stammkunden mit bis zu 30 Euro Bonus auf Rezept. Mitglieder des Treueprogramms erhalten am Monatsanfang eine Gutschrift auf ihrem „Treuekonto“. Berücksichtigt werden dabei nur postalische Bestellungen – für das E-Rezept soll es also keine Boni geben. Das Guthaben wird mit dem Kauf rezeptfreier Produkte verrechnet, alternativ ist eine Auszahlung ab einem Wert von 20 Euro möglich oder spätestens zum Quartalsende.
Gesetzlich Versicherte erhalten einen Bonus in Höhe von 50 Prozent der Zuzahlung – also 2,50 bis maximal 5 Euro. Zuzahlungsbefreite erhalten immer 2,50 Euro. Diesen Betrag erhalten auch Privatversicherte, allerdings sind in diesem Fall Arzneimittel unter einem Wert von 5 Euro vom Bonusprogramm ausgenommen. Bei freiverkäuflichen Produkten gibt es einen „Treuevorteil“ von 1 Prozent.
Auf der eigenen Website kommentiert DocMorris die rechtliche Situation so: „DocMorris hält das jetzige Bonusverbot daher für europarechtswidrig. Wir werden uns mit allen Mitteln weiter für Sie und die Versicherten einsetzen und hoffen, ihnen in Zukunft wieder einen Bonus auf Rezept gewähren zu dürfen.“ Auf Nachfrage bei DocMorris hieß es, die Boni würden nur im Rahmen des Treueprogramms gewährt.
Da beide Rabattaktionen nicht offensiv beworben werden, geht es den Versendern offenbar nicht in erster Linie darum, den Rx-Umsatz zu steigern. Ziel dürfte eher sein, ein neues Gerichtsverfahren über die geltende Regelung zu provozieren und das neue Boni-Verbot ebenfalls in Luxemburg überprüfen zu lassen. Und tatsächlich hat auch die Wettbewerbszentrale in Bad Homburg schon Wind von der Rabattaktion von Shop Apotheke bekommen und prüft den Sachverhalt.
Anders als früher gibt es neben dem Wettbewerbsrecht theoretisch noch einen anderen Hebel. Weil das Boni-Verbot im SGB V verankert ist, könnten auch die Krankenkassen einschreiten und die Versender sanktionieren. Allerdings haben sich die Kassen in der Vergangenheit wenig gewillt gezeigt, Verstöße gegen das Preisrecht zu sanktionieren und sich ihrerseits vielmehr für eine generelle Aufhebung der Preisbindung eingesetzt.
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