Rosenkrieg um rosa Rezepte Alexander Müller, 15.05.2023 07:53 Uhr
Ihren Warenwirtschaftsanbieter oder ihr Rechenzentrum wechseln Apotheken nicht leichtfertig. Der Aufwand fürs Team spricht dagegen, meist gibt es langjährige Geschäftsbeziehung und lange Vertragslaufzeiten. Letztere sorgen regelmäßig für Ärger, wenn es doch einmal zum Bruch kommt.
Ein Apotheker aus Eschweiler in Nordrhein-Westfalen hatte seine Rezepte jahrelang beim ARZ Haan abgerechnet, war aber Anfang vergangenen Jahres auf ein Angebot der Noventi eingegangen. Doch jetzt ist er besorgt wegen der aktuellen Entwicklungen und ist zurück zu seinem alten Anbieter gegangen. Noventi pocht auf den laufenden Vertrag und droht sogar mit strafrechtlichen Konsequenzen. Hat der Dienstleister Anspruch auf die Rezepte?
Für Noventi liegt der Fall klar: Der Vertrag sei für drei Jahre geschlossen, entsprechend könne die Apotheke frühestens Anfang 2025 wechseln. Ein Sonderkündigungsrecht bestehe nicht. Das Rechenzentrum beansprucht für sich, aufgrund der Zug-um-Zug-Abtretung besonders verantwortungsbewusst mit den Geldern der Apotheker umzugehen. Mit seinem Argument, er mache sich angesichts der jüngsten Turbulenzen Sorgen um die Zahlungsfähigkeit Noventis, kann er beim Dienstleister entsprechend nicht durchdringen.
Sorge ist kein Sonderkündigungsrecht
Der Apotheker meint, er habe nach einem „Probejahr“ gekündigt, und schickt seine Rezepte seit Februar wieder ans ARZ Haan. Noventi bestreitet, dass eine Kündigung vorliegt. „Wir fordern Sie deshalb ausdrücklich auf, alle abrechnungsfähigen Rezepte bis zum Ende des Abrechnungsvertrages einzureichen. Bitte beachten Sie, dass Sie zur Einreichung der Rezepte verpflichtet sind“, heißt es in einem Schreiben an den Apotheker. Und der Ton wird noch schärfer: „Wenn Sie keine Rezepte einreichen, stellt dies eine schwerwiegende Vertragsverletzung Ihrerseits dar. Davon abgesehen kann Ihr Verhalten auch strafrechtlich von Relevanz sein, sollten Sie Rezepte grundlos zurückhalten oder anderweitig abrechnen.“
Der Apotheker empfindet diesen „Drohbrief“ als „schwierig“ und die vermeintlichen strafrechtlichen Konsequenzen als haltlose Behauptung. Gemeint ist damit laut Noventi, dass der Apotheker einem anderen Rechenzentrum gegenüber keine Rechte an Rezeptwerten abtreten kann, die bereits an Noventi abgetreten wurden. Das geht allerdings so aus dem Schreiben nicht hervor.
Abschlag kassiert, Rezepte behalten
Aus der Luft gegriffen ist die Aussage aber nicht. Auch das ARZ Haan hatte schon einen solchen Fall: Ein Apotheker hatte sich zunächst den Vorschuss auf die Abrechnung auszahlen lassen, die Rezepte im Zuge seines angestrebten Wechsels anschließend jedoch zu seinem neuen Rechenzentrum geschickt. In aller Regel könne man sich mit den Kunden einigen, aber im Extremfall wird vor Gericht darüber gestritten, wer wann Anspruch auf die Rezepte hatte.
So weit ist es zwischen dem Apotheker und Noventi noch nicht gekommen. Aber das Rechenzentrum verlangt nun Schadenersatz für die ausgebliebenen Gewinne aufgrund nicht eingereichter Rezepte. Die Schadenshöhe werde auf Basis der Kompletteinlieferungen der letzten zwölf Monate ermittelt, ersparte Aufwendungen werden abgezogen. Bislang sind demnach einige hundert Euro aufgelaufen.
Sollte die Apotheke weiterhin keine Rezepte einreichen, gehe Noventi wir von einer „Vertragsaufsage“ aus. Man werde dann den vollen Schadenbetrag in Höhe von mehr als 6000 Euro geltend machen. Da die Apotheke außerdem Software von Awinta benutzt, dürften die Chancen auf eine Einigung wohl gar nicht so schlecht stehen.