Ritalin: Eine Tablette mehr gegen den Austausch Sandra Piontek, 05.07.2023 14:59 Uhr
Seit dem 1. Juli bietet Infectopharm das Arzneimittel Ritalin in neuen Unikatpackungsgrößen mit 29 beziehungsweise 58 Retardkapseln an. Patient:innen, die das verschreibungspflichtige Arzneimittel verordnet bekommen, sollen so sicher das Original erhalten – auch ohne Aut-idem-Kreuz. Die Umstellung kommt nicht bei allen Apotheker:innen gut an.
Bislang gibt es Ritalin von Infectopharm als Hartkapseln mit Retardformulierung in den Wirkstoffstärken 10, 20, 30 und 40 mg sowie in den Packungsgrößen 28 und 56 Stück. Neu hinzu kommen nun „Ritalin LA Kapseln“ in den Packungsgrößen 29 und 58 Stück, wobei LA für „long acting“ steht. „Die neuen Packungsgrößen von Ritalin werden zum Festbetrag angeboten und sind somit wirtschaftlich und ohne Zuzahlung für den Patienten“, informiert der Hersteller.
Im Kern geht es darum, einen Austausch zu vermeiden. Denn bei Medikamenten, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, muss die verordnete Stückzahl abgegeben werden, ein gleicher Normbereich reicht nicht aus. „Mit der neuen Packungsgröße bieten wir Ärzt:innen eine Therapieoption für Kinder, die bereits auf das Präparat Ritalin eingestellt sind. Wenn Ärzt:innen darauf bestehen, dass Patient:innen nur dieses Fertigarzneimittel bekommen sollen, dann können Packungen mit 29 oder 58 Kapseln verordnet werden.“
Ärzt:innen haben die Wahl
Auf der anderen Seite bestehe die Möglichkeit, nur den Wirkstoff zu verordnen, wenn Ärzt:innen vor die Austauschbarkeit keinen Riegel schieben wollen, so der Hersteller. „Wir haben viele Rückmeldungen von Arztpraxen bekommen, dass gerade bei Verordnungen für Kinder der Wunsch nach dem ursprünglich verschriebenen Präparat besteht. Eltern sind oft verunsichert, wenn ihre Kinder bisher immer Ritalin erhalten haben, darauf also eingestellt sind und nun plötzlich ein anderes Präparat einnehmen sollen.“
Man verstehe zudem die Sorge der Apotheken bezüglich des Alleinstellungsmerkmals auch im Hinblick auf die Lieferengpässe: „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und versuchen natürlich, die Lieferfähigkeit zu erhalten.“ Alle Präparate der Marke Ritalin sind weiterhin erstattungsfähig: „Die beiden Retardformulierungen sind in den Wirkstoffstärken 10, 20, 30 und 40 mg sowie in den Packungsgrößen 28 und 56 Stück erhältlich. Ritalin LA gibt es nun neu auch in den Packungsgrößen 29 und 58 Stück“, so der Hersteller.
Keine gute Idee
Nicht bei allen Apotheker:innen sorgt die neue Packungsgröße für Zustimmung: „Die Neueinführung der Packungsgrößen ist keine gute Idee“, findet Gunnar Müller, Inhaber der Sonnen-Apotheke in Detmold. Für den Apotheker stellt sich mit der Umstellung der Packungsgrößen auch klar die Frage nach der Wirtschaftlichkeit: „In meinen Augen macht das gar keinen Sinn und ist rausgeschmissenes Geld. Eine Packung mit 29 Tabletten ist weder wirtschaftlich noch besonders praktisch. Warum wird so etwas nicht besser kontrolliert durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)?“
Ritalin mit dem Wirkstoff Methylphenidathydrochlorid ist zur Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern ab sechs Jahren und Erwachsenen zugelassen. „Zudem gilt der Wirkstoff Methylphenidat laut der aktuellen S3-Leitlinie als Goldstandard bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS“, so Infectopharm.
Neben Infectopharm bieten Hersteller wie Takeda, Remedix, Aluid und Ratiopharm Hartkapseln mit veränderter Wirkstofffreisetzung des Inhaltsstoffes Methylphenidat in verschiedenen Stärken an.