Jetzt retaxiert Davaso Patrick Hollstein, 24.05.2017 11:12 Uhr
Vor etwas mehr als einem Jahr kaufte der C&A-Clan die Rezeptprüffirmen Inter-Forum und Syntela. Damit entstand ein neuer Retaxriese, der nun auch einen neuen Namen hat: Davaso lautet der Absender, den kein Apotheker auf seiner Geschäftspost lesen will.
Davaso steht für Daten (DA), Validierung (VA) und Software/Solutions (SO). Seit Ende März ist die neue Firma aktiv, einer der ersten Verträge aus dem Arzneimittelbereich wurde jetzt mit der IKK classic unter neuem Namen geschlossen. Bei laufenden Verträgen treten auch Inter-Forum und Syntela noch als Absender auf. Andere Kassen wollen überhaupt nicht, dass ihr Dienstleister öffentlich in Erscheinung tritt.
Rund 75 Millionen Rezepte prüft Davaso pro Jahr, 25 Kassen lassen ihre Arzneimittelabrechnungen vom Branchenprimus unter die Lupe nehmen. 19 weiteren Kassen stellt Davaso die Software zur Prüfung zur Verfügung. Über alle Produkte hinweg gehören 100 Krankenkassen mit 60 Millionen Versicherten zu den Kunden. Mit 1150 Mitarbeitern gehört Davaso zu den größten Arbeitgebern in Leipzig.
Ende 2015 kaufte der Brenninkmeijer-Clan über seine Beteiligungsfirma Bregal Unternehmerkapital zunächst Inter-Forum, drei Monate später kam Syntela dazu. „Die Transaktion macht für den Markt Sinn, genauso wie für die Investoren und für die Mitarbeiter“, sagte damals Syntela-Geschäftsführer Jens Hafner. Er leitet Davaso heute gemeinsam mit Jan Schaller, der zuletzt Chef von Inter-Forum war.
Während Inter-Forum stark bei AOKen und Ersatzkassen war, hatte Syntela sich vor allem im IKK- und BKK-Lager einen Kundenstamm aufgebaut. Vorerst ändert sich laut Hafner trotz des neuen Namens an den Zuständigkeiten nichts, wo Produkte in der Vergangenheit von beiden Firmen angeboten wurden, soll irgendwann fusioniert werden.
Inter-Forum wurde 1990 von Claus Wippich und Armin Gerhardt als Ableger der Firma ABK Systeme in Leipzig gegründet. Der Fokus lag zunächst auf Kommunikationslösungen für Banken und Behörden; ab 1995 stieg Wippich mit seiner mittlerweile in Inter-Forum umbenannten Firma in das Geschäft mit Sozial- und Abrechnungsdaten ein.
2000 begann Inter-Forum mit der Abrechnungsprüfung der Apotheken. Angeblich soll Wippich von der Gmünder Ersatzkasse (GEK) überredet worden sein, nicht nur Lizenzen für die von seinem Systemhaus entwickelte Prüfsoftware Rezept300 anzubieten, sondern die Dienstleistung gleich mit. Drei Jahre später folgte mit Kompass302 das Pendant für den Bereich der sonstigen Leistungserbringer; parallel etablierte sich Inter-Forum als Datenstelle für Disease-Management-Programme (DMP) in unterschiedlichen KV-Regionen.
2013 erreichen die Erlöse erstmals die Grenze von 40 Millionen Euro; mit knapp 1000 Beschäftigten gehört Inter-Forum zu den 20 größten Arbeitgebern der Region. Kein anderer Rezeptprüfer kann in dieser Größenordnung mithalten. Das Geschäft ist äußerst lukrativ; zeitweise werden Gewinne zwischen fünf und acht Millionen Euro eingefahren – nach Steuern. Zur Finanzierung der Auslagen verfügt Inter-Forum nicht nur über großzügige Kreditlinien; zusätzliche liegen Millionenbeträge in kurzfristigen Wertpapieren bereit.
Auch wenn Inter-Forum bei den Apotheken gefürchtet war, der größte Teil des Geschäfts entfiel auf andere Leistungserbringer. 70 Prozent des Umsatzes spülten geprüfte Belege von Taxifahrern, Hebammen, Pflegediensten, Hilfsmittelanbietern und Heilmittelerbringern in die Kasse. Weitere 20 Prozent entfielen auf den nicht nur wachstumsstarken, sondern auch besonders lukrativen DMP-Bereich; hier war Inter-Forum nach eigenen Angaben unangefochtener Marktführer.
Das Apothekengeschäft war mit weniger als 10 Prozent von untergeordneter Bedeutung. Zu den Kunden in diesem Bereich gehörten die KKH und verschiedene LKKen; einige AOKen ließen ihre Belege von Inter-Forum bearbeiten. Bei den sonstigen Leistungserbringern gehörten Schwergewichte wie TK, DAK und diverse IKKen zu den Kunden. Insgesamt arbeitete das Unternehmen nach eigenen Angaben unter anderem mit fünf der zehn größten Kassen zusammen. Die Software Rezept300 wird nicht nur von vielen Kassen eingesetzt, sondern teilweise auch von anderen externen Prüffirmen.
Syntela ist seit Anfang 2005 im Geschäft. Die Firma wurde von Rando Trapp und Jörg Sander gegründet, die vorher bei Inter-Forum gearbeitet hatten. Dritter Partner war Thomas Metzger, der von der Kassenseite kam. Im Fokus stand zunächst die Prüfung der Abrechnung von Hebammen, Heilmittelerbringern & Co. Ab Herbst 2007 unterstützte die Firma ihre Kunden bei der Annahme und Kontrolle von Arztabrechnungsdaten. Die Prüfsoftware für Apotheken ging Anfang 2008 an den Start.
Im November 2014 stieg Caldec bei Syntela ein. Hinter dem Finanzinvestor aus Hamburg stehen der ehemalige QSC-Finanzvorstand Markus Metyas sowie die beiden langjährigen Finanzexperten Hermann und Florian Wendelstadt. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart; später übernahmen die Investoren die Firma komplett. Nur Hafner hielt zuletzt noch ein kleines Paket; er war Anfang 2012 von der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton zur Retaxfirma gekommen.
Trapp und Metzger hatten sich Anfang 2014 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen; Sander war bereits drei Jahre zuvor ausgeschieden. Ihr Nachfolger in der Geschäftsführung, Rolf Boddenberg, brachte 30-jährige Erfahrung auf der Seite der Krankenkassen mit. Von April 2011 bis Ende 2012 war er Vorstand der BKK vor Ort. Davor war er mehr als fünf Jahre im Führungsgremium der Dräger & Hanse BKK.
Anfang 2015 wechselte Boddenberg in den Beirat, wo neben den Caldec-Chefs der ehemalige Arvato-Geschäftsführer und TNT-Vorstand Stefan Middendorf vertreten war. In der Geschäftsführung war Thorsten Weber für Marketing und Vertrieb verantwortlich – auch er war Kassen- und IT-Experte: Seine berufliche Karriere begann er 1991 bei der Barmer als Geschäftsstellenleiter. Später war er unter anderem für IBM als Vertriebsleiter sowie für die Software AG tätig. Ende vergangenen Jahres wechselte er zu KPMG.
Syntela hatte zuletzt rund 140 Mitarbeiter und bot neben der Rechnungsprüfung und Datenanalyse mittlerweile ein breites Spektrum an Dienstleistungen an. Mit Syn!Bonus können Kassen ihre Bonusprogramme verwalten, bei Syn!Care werden Daten der unterschiedlichen Leistungserbringer zusammengeführt. Ein komplettes Dienstleistungspaket gibt es für die hausarztzentrierte Versorgung und die integrierte Versorgung.
Auch Zahnarztrechnungen sowie häusliche und teilstationäre Pflegeleistungen können über Syntela abgerechnet werden. Mit 3M kooperiert das Unternehmen seit 2012 bei der Prüfung von Abrechnungen aus Institutsambulanzen. Insgesamt hat die Firma 65 Kassen als Kunden, davon 24 im Apothekenbereich.
Als Faustregel gilt: Die großen Kassen kontrollieren die Rezeptabrechnung selbst, kleinere Kassen beauftragen externe Dienstleister. Branchenkennern zufolge liegt der Marktanteil der hauseigenen Prüfstellen bei mehr als 60 Prozent – wenn man die Versichertenzahlen als Grundlage nimmt. Die restlichen 40 Prozent teilen sich einige wenige Firmen, zu denen neben Davaso Firmen wie die GfS, die Rezeptprüfstelle Duderstadt, Protaxplus, DDG und das Abrechnungszentrum Emmendingen gehören.