IMS und NARZ vor Gericht Alexander Müller, 04.11.2013 14:06 Uhr
Das Rechenzentrum NARZ/AVN und das Marktforschungsunternehmen IMS Health streiten vor dem Landgericht Frankfurt um die Weitergabe von Rezeptdaten. Das NARZ hatte seine Datenlieferungen stark eingeschränkt, IMS daraufhin die Zahlungen gekürzt. Dagegen klagt das Rechenzentrum, die Gegenseite verlangt in ihrer Widerklage Schadenersatz. Am vergangenen Freitag wurde in Frankfurt erstmals verhandelt – noch ohne Ergebnis.
Als Zweifel an den Datenlieferungen der Rechenzentren laut wurden, hatte das NARZ schnell reagiert. In Abstimmung mit der Bremer Datenschutzbehörde wurde der Verkauf anonymer Rezeptdaten zusätzlich eingeschränkt: Seitdem liefern die Norddeutschen nur noch vollständig anonymisierte beziehungsweise aggregierte Daten an Dritte.
Diese abgespeckten Daten sind für die Marktforschung natürlich weniger wert – und das ist wörtlich zu verstehen. IMS kürzte die Rechnungen an das NARZ massiv, auf längere Sicht fehlen dem Rechenzentrum Millionen.
Die Klage gegen IMS führt die Gesellschaft für Informations- und Datenverarbeitung (GfI), unter deren Dach die Rechenzentren NARZ und AVN zusammengeschlossen sind. Gestritten wird zunächst nur um die gekürzte Rechnung für einen Monat. Doch ein Urteil hätte weit reichende Folgen, da nach wie vor „grobköringe“ Daten geliefert werden.
IMS verweist auf die geschlossenen Verträge. Diese habe das NARZ ohne Not nicht eingehalten. Denn eine behördliche Anordnung der Bremer Datenschützer liege nicht vor, so das Argument. Weil auch IMS Einnahmen aus dem Verkauf der Datenanalysen fehlen, strebt das Frankfurter Unternehmen zudem eine Gegenklage auf Schadensersatz an.
Das Landgericht hat am Freitag in der Sache noch nicht entschieden. Der Vorsitzende Richter hat sich dem Vernehmen nach auch mit der Frage des Datenschutzes nicht befasst, sondern sich mehr für die Verträge interessiert. Die Parteien sollen nun zunächst versuchen, sich gütlich zu einigen.
In dem Streit der Datenschützer, der auf dem Rücken der Apotheker und ihrer Rechenzentren ausgetragen wird, geht es um die Auslegung des Begriffs Anonymisierung: Dürfen Informationen über einen virtuellen „Patienten X“ weitergegeben werden oder muss die Pharmaindustrie ganz auf Einzelauswertungen und Zeitverläufe verzichten?
Einen Konsens gibt es bislang nicht. Auch nach zwei Treffen haben die Datenschützer unterschiedliche Auffassungen. Die Rechenzentren haben je nach Sichtweise der zuständigen Aufsichtsbehörde reagiert: Wie das NARZ liefert die Rezeptabrechnungsstelle Berliner Apotheker nur noch aggregierte Daten. VSA, ARZ Darmstadt und ARZ Haan stellen Marktforschungsunternehmen wie IMS Health weiterhin Einzelinformationen zur Verfügung, die einmal im Rechenzentrum selbst und ein zweites Mal in einem unabhängigen Trustcenter anonymisiert werden.In Nordrhein-Westfalen könnte es zum Gerichtsverfahren kommen.