Dr. Falk

Renditewunder und Familienzwist

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Berlin -

Dr. Falk gehört zu den Hidden Champions der deutschen Pharmaindustrie. Die Umsatzrendite liegt bei knapp 30 Prozent, die wenigsten Hersteller schaffen es auch nur auf zweistellige Werte. Das Erfolgsgeheimnis ist die Vertriebsstrategie, die auf Firmengründer Dr. Dr. Herbert Falk zurückgeht. Hinter den Kulissen ging es allerdings nicht immer friedlich zu.

1924 in Mülheim geboren, wächst Falk in Freiburg auf – hier hat sein Vater Emil in den 1920er Jahren die Herdern-Apotheke eröffnet. Nach dem Abitur 1942 muss Falk zunächst als Sanitätssoldat in den Krieg, in Nordafrika gerät er in britische Gefangenschaft. Zurück in seiner Heimatstadt, beginnt er 1947 mit dem Pharmaziestudium. Nach der Promotion arbeitet er ab 1955 in der väterlichen Apotheke, parallel studiert er Medizin.

Als er seine Dissertation in der Tasche hat, gründet er 1960 die Firma Remefa. Bereits in den Jahren zuvor hat er im Labor der Apotheke Herz-Kreislauf-Tropfen entwickelt, die er mit Erfolg auch über Kollegen in der Umgebung vertreibt. Erstes Produkt seiner neuen Firma ist Hepatofalk, ein pflanzliches Arzneimittel mit leberprotektiven Eigenschaften.

Schon damals entwickelt Falk eine Vertriebsstrategie, mit der er jahrzehntelang erfolgreich sein wird: Er besucht die Kliniken, spricht mit den Ärzten. Und er organisiert Fortbildungsveranstaltungen, bei denen prominente Mediziner vor ihren Kollegen sprechen. Die Ergebnisse stellt er in Broschüren zusammen. Außerdem bietet er einen Literaturservice an: Falk abonniert die Fachjournale, wichtige Veröffentlichungen schneidet er aus und stellt sie den Ärzten als Zusammenfassung zur Verfügung.

Das Sortiment wächst: Mit Orotofalk und Adek-Falk kommen zunächst zwei Vitaminpräparate hinzu, in den 70er-Jahren folgen mit Chenofalk und Ursofalk zwei auf Gallensäure basierende Präparate, die zur Auflösung von Gallensteinen beziehungsweise zur Behandlung cholestatischer Lebererkrankungen eingesetzt werden. Erst als die mechanische Zertrümmerung immer ausgefeilter wird, gehen die Umsätze zurück.

Der Durchbruch kommt in den 80er-Jahren. Zwei Mediziner aus Tübingen bieten ein Entwicklungsprodukt zu Mesalazin an, dem aktiven Metaboliten von Sulfasalazin. Doch in der Pharmabranche wird die Entwicklung herumgereicht wie „Sauerbier“. Mit Azulfidine hat Pharmacia (heute Pfizer) die Nische besetzt; es ist ein scheinbar langweiliger Indikationsbereich, in dem seit 20 Jahren nichts passiert ist. Außerdem ist so ziemlich jedem klar, dass der Wirkstoff nicht nur ein Abkömmling ist, sondern eine Neuzulassung braucht.

Falk sieht die Sache anders und kauft den Forschern ihre Entdeckung ab. Weil er ihnen hohe Lizenzbeträge verspricht, muss er nicht allzu viel Geld in die Hand nehmen. Doch dann muss er erkennen, dass er um klinische Prüfungen und die kompletten toxikologischen Nachweise nicht herum kommt. Er holt den Pharmakonzern SmithKline (heute GSK) an Bord, der eine Lizenz bekommt und dafür die Hälfte der Kosten übernimmt.

1984 kommt Salofalk auf den Markt – für den Hersteller, damals mit rund acht Millionen D-Mark Umsatz eine kleine Firma, bricht ein neues Kapitel an. Falk holt sich mit Dr. Hans-Joachim Lach einen Leiter für den Bereich Marketing/Entwicklung an Bord. Der Biochemiker kommt von Kali-Chemie (heute Solvay) und ist der erste akademische Mitarbeiter des Unternehmens überhaupt.

Gemeinsam bauen Falk und Lach einen festen Außendienst auf, bis dahin hatten freiberufliche Vertreter die Produkte des Unternehmens mit im Gepäck gehabt. Das Team bringt die Philosophie des Firmengründers zur Perfektion: Pro Jahr organisieren die sieben Mitarbeiter rund 100 Fortbildungsveranstaltungen in ganz Deutschland. Bis zu 50.000 Ärzte werden so erreicht.

Das Konzept geht auf, denn im Bereich der chronischen Darmerkrankungen gibt es damals viel Aufklärungsbedarf. Oftmals wissen Hausärzte mit den Beschwerden nichts anzufangen, Gastroenterologen bekommen die Betroffenen in der Regel gar nicht zu Gesicht. Sieben Jahre dauert es damals im Durchschnitt, bis ein Patient die korrekte Diagnose bekommt.

Die Ärzte wissen das Engagement des Mittelständlers aus Freiburg zu schätzen – und verordnen sein Produkt. Immer mehr Betroffene werden erkannt, dank der früheren Diagnose wird die Leidenszeit deutlich reduziert. Die Patienten sind glücklich, die Ärzte zufrieden, die Umsätze explodieren. Alle profitieren, bis hin zum Außendienst, der sich über sprudelnde Provisionen freuen kann.

„In jener Zeit entstand der Nimbus, von dem das Unternehmen noch heute lebt“, sagt einer der früheren Weggefährten des Firmengründers. Falk selbst kommt bei den Ärzten gut an. Der charismatische Geschäftsmann ist extrem gut vernetzt, selbst spätabends sind führende Professoren zu Hause für ihn zu sprechen. Kein Wunder, denn als Key Opinion Leader kann man sich bei Falk mit zehn Vorträgen schnell 15.000 Mark verdienen – und obendrein jede Menge Anerkennung bei den Kollegen. Unseriös wird Falk nie. Während andere Firmenchefs Ärzte zu Pseudo-Kongressen nach Kreta oder zu wilden Parties auf ihr Schloss einladen, hat Falk einzig und allein einen wissenschaftlichen Anspruch.

In den 90er-Jahren will der Arzt und Apotheker die Erfolgsgeschichte noch einmal wiederholen. Er testet die orale Anwendung von Budenosid bei Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, tatsächlich zeigt die Dosis von 3 mg eine Wirkung. Doch über längere Zeit kann Konkurrent Astra (heute AstraZeneca) die Entwicklung blockieren. Sogar ein professioneller Spion kann in jener Zeit in der Firma internes Wissen stehlen. Am Ende ist der schwedische Hersteller zwar schneller, doch dank der guten Beziehung zu den Ärzten wird Budenofalk ein Erfolg. Außerdem kann man sich in Freiburg nach jahrelangem Gerichtsstreit über eine Strafzahlung des Konkurrenten freuen.

Was niemand mitbekommt: Trotz des Erfolgs hängt hinter den Kulissen der Haussegen schief. Immer wieder werden Entscheidungen revidiert und Absprachen über Bord geworfen. In der Regel ist es Falks 16 Jahre jüngere Frau Ursula, die sich bei wichtigen Entscheidungen zunehmend stärker in den Geschäftsbetrieb einmischt. Erst gibt es Reibereien mit der 1964 geborenen Tochter Carola, die nach dem BWL-Studium in Mannheim bei Schwarz Pharma und Synthelabo ihr Handwerkszeug gelernt hat, aber genervt die Firma verlässt. Ein Professor aus Göttingen, der daraufhin das Unternehmen führen soll, ist nach einigen Fehlentscheidungen schnell wieder weg. Mitte der 90er-Jahre wirft Lach das Handtuch.

Ein weiterer Professor ist für fünf Jahre tätig, und auch der 1966 geborene Sohn Martin, ein promovierter Chemiker, zieht sich nach kurzer Zeit wieder aus dem Unternehmen zurück. Als sein Vater mit Herzproblemen ins Krankenhaus kommt, lässt er sich 2004 noch einmal breitschlagen, ins Unternehmen zurückzukehren. Diesmal wird er – neben seiner Mutter – zum Geschäftsführer, doch nach dem Tod des Firmengründers im August 2008 steigt er wieder aus. Es geht nicht nur um die Frage, wer als Geschäftsführer das Unternehmen steuern kann, sondern zunehmend um Kleinkram im Firmenalltag.

Heute führt Martin Falk den auf medizinische Hautpflege spezialisierten Nischenanbieter Benevi mit Sitz in Freiburg. Carola Falk lebt in Starnberg und ist als Managerin im Klinikbereich sowie als Unternehmensberaterin und Investorin aktiv.

Im Frühjahr zog sich nun auch Ursula Falk im Alter von 78 Jahren aus der Geschäftsführung zurück. Mit Susanne Höppner ist seit kurzem eine externe Pharmamanagerin an Bord, gemeinsam mit Dr. Roland Greinwald (Forschung & Entwicklung) und Philipp Argast (Finanzen) leitet sie die Geschicke des Unternehmens.

Aufgabe des neuen Führungstrios wird es sein, den Kurs der vergangenen Jahre fortzuführen. Den Rabattverträgen zum Trotz haben sich Umsatz und Gewinn seit 2007 verdoppelt – auf zuletzt 300 beziehungsweise 80 Millionen Euro. Mit einer Nettorendite von 28 Prozent gehört Falk zu den ertragsreichsten Pharmafirmen in Deutschland – nur wenige andere Firmen wie Infectopharm kommen dank eines ähnlichen Vertriebsmodells auf vergleichbare Werte.

Ohne die Seniorchefin läuft auch in Zukunft bei Falk nichts: Obwohl ihr nur 10 Prozent der Anteile gehören, kontrolliert sie 51 Prozent der Stimmrechte. Und auch bei der vor einigen Jahren ausgegründeten Firma Anobis mit einem Barvermögen von rund 250 Millionen Euro kann Falk dank eines lebenslangen Nießbrauchsrechts über 51 Prozent verfügen.

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