Rekord-Investment: 10 Millionen Euro für Algea-Mutter Tobias Lau, 18.10.2021 08:00 Uhr
Das Cannabis-Telemedizin-Unternehmen Algea kann sich über einen neuen Geldsegen freuen: Ihre vor einem Jahr gegründete Muttergesellschaft, die Bloomwell Group, hat erfolgreich eine Seed-Finanzierungsrunde von über zehn Millionen US-Dollar abgeschlossen. Nach Unternehmensangaben ist es das bis dato höchste öffentlich bekannte Seed-Investment für ein europäisches Cannabis-Unternehmen. Bloomwell stellt sich nun als Holding auf und will künftig den Cannabismarkt aufmischen. Der CEO ist in der Branche bereits bekannt – hat aber einen schwierigen Ruf.
Cannabis bleibt ein volatiler Wachstumsmarkt, die Aussichten auf eine mögliche Legalisierung für den Freizeitgebrauch befeuern das zusätzlich. Auch der medizinische Sektor bleibt in Bewegung: Mit Algea Care hat sich ein Start-up in kurzer Zeit zum etablierten Player entwickelt, das Cannabistherapie mit Telemedizin verbindet und damit offensichtlich eine lukrative Marktlücke entdeckt hat. Hinter dem Digitalunternehmen von Dr. Julian Wichmann und Anna-Sophia Kouparanis steht die Bloomwell Group, die sich nun mit neuem Kapital im Rücken als Holding aufstellt: Sie wolle künftig weitere Cannabis-Unternehmen aufbauen, aufkaufen oder in sie investieren.
Mehrere US-Investoren glauben an das Versprechen, darunter Lead-Investor Measure 8 Venture Partners, ein auf die Cannabis-Industrie spezialisierter US-amerikanischer Wachstumskapitalgeber, sowie der Digital-Health-Frühphasen-Investor M4 Capital. Denn Bloomwell hat durchaus etwas vorzuzeigen: Innerhalb eines Jahres seit der Gründung ist die Gruppe auf über 160 Mitarbeiter:innen angewachsen und erwartet im laufenden Jahr fünf Millionen Euro Umsatz.
„Viele hochgesteckte Erwartungen von Investoren und globalen Konzernen in die europäische Cannabis-Industrie haben sich seit dem ‘Cannabis als Medizin Gesetz‘ im März 2017 nicht wie erhofft erfüllt, auch wenn der Markt stetig gewachsen ist“, erklärt Algea-Mitgründerin Kouparanis. „Mit Bloomwell haben wir nun gezeigt, wie viel man binnen eines Jahres durch unternehmerische Finesse erreichen kann. Die noch recht junge europäische Cannabisindustrie birgt viel Potenzial für die zukünftige Entwicklung von Bloomwell.“ Während sich der Markt anderswo konsolidiere, stünden hierzulande alle Zeichen auf Wachstum und Expansion durch die Kombination von Cannabis, Innovation, Digitalisierung sowie „durch einen radikalen D2C- oder auch Direct-to-Patient-Ansatz“.
Im Board sitzen neben Samuel Menghistu und Boris Jordan vom Investor Measure 8 Venture Partners auch zwei hierzulande bekannte Gesichter: Professor Dr. Reinhard Meier hatte 2015 den Telemedizin-Primus Teleclinic mitgegründet und war bis zum Verkauf an DocMorris Juli 2020 Medical Director. Hinzu kommt Niklas Kouparanis, Seriengründer und zusätzlich Geschäftsführer der Bloomwell Group. Niklas Kouparanis, Bruder der Algea-Mitgründerin, ist seit Jahren im Cannabisgeschäft unterwegs, allerdings nicht immer erfolgreich. Bereits ab September 2018 wollte er mit Start-up-Seriengründer Sebastian Diemer und später auch Lieferheld-Gründer Nikita Fahrenholz eine große Nummer im Markt für medizinisches Cannabis werden – hatte sich aber offenbar verhoben. Importmengen- und Umsatzerwartungen, die Farmako angab, waren – freundlich ausgedrückt – über die Maßen optimistisch, hinzu kamen Verbindungen zu einem scheinbar dubiosen Unternehmen in Nordmazedonien. Dem Trio brachte das den Ruf ein, als Glücksritter nur auf das schnelle Geld aus zu sein, ohne sich im komplizierten und hoch regulierten Marktumfeld wirklich auszukennen.
Gänzlich kaputt war der öffentliche Ruf dann, als das Unternehmen einen vermeintlich revolutionären Forschungserfolg vermeldete: Farmako hatte angekündigt, mittels eines neu entwickelten Verfahrens durch die Verwendung eines gentechnisch veränderten Hefestammes synthetische Cannabinoide so herzustellen zu können, dass sich deren Preis auf einen Bruchteil der bisherigen Kosten senken lässt. Als Wissenschaftler diese Behauptungen auseinandernahmen, musste Farmako zurückrudern und klarstellen, man habe nie behauptet, die Technologie bereits wirtschaftlich anwenden zu können. Für Kouparanis war es wenig später vorbei. Im Juli 2019 gaben die Gesellschafter bekannt, dass sie ihn rausschmeißen – und zwar mit deutlichen Worten: „Der Geschäftsführer konnte den Gesellschafteransprüchen leider nicht mehr gerecht werden, weshalb sich alle anderen Gesellschafter einstimmig entschlossen haben, Farmako ohne ihn fortzuführen.”
Die Ansprüche, an denen sich Kouparanis messen lassen muss, sind nach wie vor hoch: „Mit Bloomwell revolutionieren wir das Gesundheitswesen durch Digitalisierung und das Potenzial von medizinischem Cannabis sowie anderen natürlichen Arzneimitteln“, erklärt er nun mit Blick auf die erfolgreiche Finanzierungsrunde. „Alle unsere Portfolio-Unternehmen werden den kundenzentrierten Ansatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette von medizinischem Cannabis – mit Ausnahme des Anbaus – radikal in den Vordergrund rücken. Die Ära der grünen Medizin hat jetzt begonnen und Bloomwell übernimmt die Führung.“