Kohl vererbt Kohlpharma Patrick Hollstein, 02.02.2016 10:31 Uhr
Reimport, Wochenblister, Apotheken-Franchise: Edwin Kohl ist mit 66 Jahren so weit entfernt vom Ruhestand, wie man sich nur denken kann. Allerdings hat er auf der Eigentümerseite jetzt den Generationswechsel hinter sich gebracht: Aus steuerlichen Gründen hat er seinen beiden Söhnen den Großteil seiner Anteile überschrieben.
Kurz vor Weihnachten übertrug Kohl seinen beiden Söhnen je 47 Prozent der Anteile an der Holdinggesellschaft Kohl Medical. Nikolaus Kohl, Jahrgang 1983, hat an der TU München BWL und Maschinenbau studiert und betreibt heute in Berlin die Softwarefirma TechN, die ein Wasserkühlsystem für Computer entwickelt hat. Philipp Kohl hat nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Privatuni Witten/Herdecke bereits im Unternehmen seines Vaters angefangen: Im vergangenen Jahr besuchte er als Außendienstler in der Vertriebsregion Stuttgart Apotheken; aktuell ist er im Innendienst tätig.
Zuvor hatte Kohl seiner geschiedenen Frau das 5-prozentige Aktienpaket abgekauft, das er ihr in den 1990er Jahren vermacht hatte. Dr. Dadja Altenburg-Kohl hatte jahrelang in der Firma mitgearbeitet und sich beispielsweise um Personalangelegenheiten gekümmert. Auch die mittlerweile an Mediq verkaufte Homecare-Sparte Assist geht auf sie zurück.
Im Sommer 2014 schied sie aus dem Management aus; heute lebt sie als Kunstmäzenin in Prag. Außerdem ist sie am Spieleverlag Amigo beteiligt. Die Ärztin war Ende der 1970er Jahre aus der Tschechischen Republik nach Deutschland gekommen und hatte zunächst als Kieferchirurgin an der Frankfurter Uniklinik gearbeitet und später als niedergelassene Zahnärztin gearbeitet, bevor sie 1986 ihren späteren Mann kennenlernte.
Für Kohl stand der Generationswechsel seit Längerem fest: „Als Unternehmer gehört es sich, die Nachfolge rechtzeitig zu organisieren. Der Erbfall darf nicht zum Problemfall werden.“ Eigentlich hatte der Firmengründer sich noch ein paar Jahre mehr Zeit gegeben, doch da nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit einer Verschärfung der Erbschaftssteuerregelungen zu rechnen ist, war es Zeit zu handeln.
Aus seiner Haltung in Sachen Erbschaftssteuer hat Kohl nie einen Hehl gemacht. Ob Spiegel, Focus, Manager Magazin oder unlängst auf seinem eigenen Xing-Account: Der Unternehmer hielt sich mit Kritik an der Gier des Staates nicht zurück – immerhin habe der Fiskus ja schon vorher bereits mehrfach zugegriffen. Implizit drohte er damit, seinen Wohnsitz rechtzeitig ins benachbarte Luxemburg zu verlegen: Aus dem Fenster seines Wohnzimmers könne er ohnehin über die Mosel nach Schengen sehen, wo er Millionen sparen könnte, so sein Argument.
Am Ende ist er deutscher Staatsbürger geblieben – aus beruflichen Gründen: „Man kann als Unternehmer nicht politisch für Reimporte und 7x4 werben und dann als Privatperson ins Steuerparadies abwandern.“
Kohl, Jahrgang 1949 und Sohn eines Metzgers aus Merzig, hatte sein Unternehmen 1979 gegründet und zunächst Medizinprodukte aus den USA importiert. Zwei Jahre später schwenkte er um auf den Reimport von Arzneimitteln aus anderen EU-Ländern. Studienfreunde – die späteren Hexal-Gründer Thomas und Andreas Strüngmann – hatten ihn auf das Konzept des Branchenpioniers Eurim aufmerksam gemacht, den der österreichische Apotheker Andreas Mohringer 1975 in Nordkirchen bei Dortmund gegründet hatte.
Seinen Faible für alles Technische bringt Kohl ins Unternehmen ein. Auf einem der ersten Macintosh-Computer fertigt Kohl in Eigenregie Werbeunterlagen für Apotheken; das Unternehmen ist auf Barrabatte im Direktgeschäft angewiesen, denn der Großhandel nimmt Reimporte in den 1980er Jahren noch nicht ins Sortiment. Als eines der ersten Unternehmen in der Branche richtet Kohlpharma 1987 eine E-Mail-Adresse ein. 1989 gibt es 20 Mitarbeiter, der Umsatz liegt bei umgerechnet 15 Millionen Euro.
Erst die Gesundheitsreformen der 1990er und einige richtungsweisende Urteile bringen Schwung ins Geschäft. Heute beschäftigt die Kohl-Gruppe mehr als 800 Mitarbeiter, der Jahresumsatz liegt bei rund 550 Millionen Euro, 99 Prozent davon werden im Importgeschäft gemacht. Der Marktanteil von Kohlpharma liegt zwischen 20 und 25 Prozent.
Im Laufe der Zeit hat Kohl die sprudelnden Gewinne – Jahr für Jahr mehr als 30 Millionen Euro – auch zur Finanzierung seiner teuren Hobbies genutzt: Sportwagen, Bordeaux-Weine, kubanische Zigarren, Kunst, antike Möbel und Teppiche im Überfluss. Auch einen Reiterhof gibt es: Den Petershof in Perl hat Kohl gemeinsam seiner neuen Frau Arlette Jasper-Kohl, einer Inneneinrichterin aus Wiesbaden, komplett saniert und wiederaufgebaut.
Aus seinen unternehmerischen Hobbies hat Kohl sich dagegen zurückgezogen: Von Mia electric (Elektroautos) hat er sich genauso getrennt wie von Timber Towers (Holzwindräder). „Alles verkauft“, sagt er. „Ich arbeite nur noch für die Apotheken.“
Weil der Reimport nur vor gelegentlichen Anfeindungen geschützt werden muss, sonst aber bei seinen verdienten Managementteam um Jörg Geller in guten Händen und ein Selbstläufer ist, kümmert sich Kohl um Avie – und um 7x4. Aktuell arbeitet er daran, das 2003 gestartete Konzept in China oder den USA zu verkaufen, aber irgendwann will er nach dem Ende des Modellprojekts mit der AOK Nordost vor einigen Jahren auch die deutschen Apotheker überzeugen. Denn der zentrale Versand sei überhaupt nicht sein Thema, versucht er die Vorbehalte zu entkräften. „Ich bin sicher, dass auch dieses dicke Brett irgendwann gebohrt ist“, sagt Kohl. „Wir haben hier etwas Einzigartiges geschaffen, das ist nicht einfach ein Maschinchen.“
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