„Reimporte werden niemals überflüssig“ Patrick Hollstein, 16.09.2010 13:51 Uhr
Pünktlich zum 35-jährigen Firmenjubiläum feiert der Reimporteur Eurim morgen den Einzug in ein neues Produktionswerk in Saaldorf-Surheim an der deutsch-österreichischen Grenze. Den politischen Unwägbarkeiten zum Trotz will Firmenchef Andreas Mohringer neue Standards setzen. Mit APOTHEKE ADHOC sprach Mohringer über die Bedeutung von Reimporten, den politischen Poker um zusätzliche Einsparungen und die Zukunft der Branche.
ADHOC: 35 Jahre Reimport - Was hat sich getan?MOHRINGER: Es hat sich enorm viel getan. Was anfangs, also vor 35 Jahren, eine eher schräge Outsider-Idee war, ist heute ein sehr etablierter anerkannter, Marktbestandteil geworden und wird von vielen auch als dritte Kraft im Arzneimittelmarkt anerkannt.
ADHOC: Sind Reimporte zeitgemäß?
MOHRINGER: Reimporte sind unverändert zeitgemäß. Man muss sie nur zeitgemäß behandeln und wirken lassen. Insofern hat es die Politik in der Hand die Rahmenbedingungen zu setzen, damit Importe die Gelegenheit erhalten, die Wirkung zu zeigen, die sie zeigen sollen in diesem Markt.
ADHOC: Was ist wichtiger: Berlin oder Straßburg?
MOHRINGER: Das kann man so nicht sagen, weil beide Elemente - sowohl die nationale als auch die europäische Ebene - zweifellos relevant sind, weil sie die Rahmenbedingungen für Parallel- und Reimporte setzen. Das Entscheidende ist aus unserer Sicht, dass die Pharmaindustrie insbesondere auf der europäischen Ebene ein sehr starken Einfluss ausübt. Ihr Lobbying ist sehr machtstark, leider auch mit teilweise mehr als dubiosen Inhalten und Argumenten.
ADHOC: Wie gefährlich ist Schwarz-Gelb?
MOHRINGER: Aus unserer Sicht ist es weniger eine Frage der jeweiligen Regierungskoalition. Viel entscheidend ist aus unserer Sicht der Aspekt, dass auf schon vorhandene komplizierte Regelungen weitere neue, wiederum komplizierte Regelungen aufgesattelt werden, bis zum Schluss kaum noch jemand einen vollständigen Durchblick hat. In diesem Stadium sind wir schon. Das Entscheidende, und dieser Ansatz fehlt, ist eine langfristige, seriöse, an Fakten orientierte grundsätzliche Reform der Gesundheitspolitik. Das hat bis jetzt noch niemand auch nur im Ansatz versucht.
ADHOC: Was ist Ihr Vorschlag für die Politik?
MOHRINGER: Unser Vorschlag ist ganz einfach und, wenn Sie so wollen, mit Garantie: Eine Quotenerhöhung brächte automatisch und auch kurzfristig eine Erhöhung der schon vorhandenen Einsparungen durch Parallelimporte.
ADHOC: Was halten Sie vom Vorschlag des Verbands der Arzneimittelimporteure Deutschlands (VAD)?
MOHRINGER: Der Vorschlag des VAD lief ja darauf hinaus, dass eine Ausnahmeregelung von der 10-prozentigen Erhöhung des Herstellerrabattes und eine Erhöhung des Preisabstandes quasi beantragt worden waren. Aus unserer Sicht ist dieser Vorschlag zu Recht abgelehnt worden, weil er insbesondere unter dem Aspekt eines höheren Preisabstandes keinerlei zusätzliche Einsparungen bringt, da sich das Abgabeverhalten der Apotheken alleine an der Importquote, im Zusammenhang mit der so genannten 10-prozentigen Wirtschaftlichkeitsreserve, misst.
ADHOC: Sie wollen keine Ausnahme für Reimporte?
MOHRINGER: Nein, das ist nicht zielführend. Es trifft bei uns auf ein gewisses Verständnis, wenn die Politik sagt: Das möchten wir nicht machen. Grundsätzlich bin ich schon der Meinung, dass auch der Parallelimport Beiträge - wie jeder andere Hersteller auch - leisten muss. Allerdings muss das mit Augenmaß geschehen aufgrund der Tatsache, dass Parallelimporte nur eine Händlermarge haben und keine volle Industriemarge. Deshalb unser Vorschlag: Ja zum Herstellerabschlag, auch wenn er uns sehr hart trifft, aber eine Kompensation durch Erhöhung der Quote.
ADHOC: Andere Firmen streichen Jobs, Sie eröffnen ein neues Werk?
MOHRINGER: Warum andere Marktteilnehmer Entlassungen vornehmen und aus welchen Motiven, das entzieht sich natürlich unserer Kenntnis. Bei uns ist es so, dass die Entscheidung für eine so große Investition, wie wir sie hier gemacht haben, schon vor über zwei Jahren gefallen ist. Natürlich sind wir überhaupt nicht glücklich, dass diese Investitionsentscheidung, die jetzt in einer Eröffnung kulminiert, in Zeiten großer politischer Unruhe fällt.
ADHOC: Wann werden Reimporte überflüssig?
MOHRINGER: Reimporte werden nach meiner festen Überzeugung niemals überflüssig werden, und zwar aus einer ganz einfachen Situation heraus: Die Industrie hat ein großes wirtschaftliches Interesse an einer so genannten proaktiven Preisdifferenzierungspolitik und vermeidet - nachvollziehbar aus wirtschaftlichen Gründen - einen Einheitspreis in der EU. Der würde sich natürlich notwendigerweise an den wirtschaftlich schwächsten Mitgliedstaaten orientieren. Deswegen wird es diese Preisunterschiede immer geben, und wenn es Preisunterschiede immer gibt, gibt es auch immer Parallelimporte.