Nius und Achtung Reichelt!

Reichelt/Gotthardt: CGM-Milliardär finanziert Krawallportale

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Berlin -

Im Bereich der IT-Systeme für Arztpraxen, Kliniken und Apotheken ist CompuGroup Medical (CGM) hierzulande Marktführer. Nebenbei mischt Firmengründer und Großaktionär Frank Gotthardt als Medienunternehmer mit: Zu seinem Portfolio gehören die Kanäle „Nius“ und „Achtung Reichelt!“, die in der rechtspopulistischen Ecke angeordnet sind.

„Etwas ist anders in diesen letzten Tagen der untergehenden Regierung Scholz, und das ist eine sehr gute Nachricht: Die Regierungsmedien haben ihre Macht verloren. Sie existieren noch, natürlich, aber sie haben ihre Glaubwürdigkeit endgültig vernichtet.“ So beginnt das jüngste Video im Youtube-Kanal „Achtung Reichelt!“, aber im Grunde schwingt die Verschwörungsbotschaft in jeder Folge mit: Unfähige Politik, manipulierende Staatsmedien, Deutschland ist am Ende.

Nun könnte man das Ganze als Rachefeldzug des früheren Bild-Chefs abtun, der nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs im Herbst 2021 geschasst worden war. Doch im Hintergrund wirken weitaus mächtigere Kräfte. Hatte Reichelt seinen Kanal 2022 zunächst in Eigenregie gestartet, ist seine Firma „Rome Medien“ mittlerweile in der Holding „Vius“ aufgegangen, zu der auch die ebenfalls auf nationalistischen Krawall gebürstete Plattform „Nius“ gehört.

100 Prozent der Stimmen

Zwar steht Reichelt an der Spitze des Konglomerats, doch der eigentliche Strippenzieher im Hintergrund ist Gotthardt. Dem IT-Milliardär gehören nicht nur knapp 90 Prozent der Aktien an „Vius“, er hat sich dank der Unternehmensform auch das alleinige Stimmrecht gesichert – jedenfalls solange er und seine Familie mehr als 10 Prozent kontrollieren. Eine ähnliche Regelung hatte Gotthardt vor vier Jahren bei CGM eingeführt, um die „identitätsstiftende Stellung“ des Mehrheitsaktionärs nicht zu gefährden.

Auf Youtube geht es bei „Achtung Reichelt!“ zur Sache.Screenshot Achtung, Reichelt!

Im regionalen Podcast „Rund ums Eck“ äußerte sich Gotthardt im Frühjahr erstmals zu seinem Engagement: Die Medienlandschaft brauche eine Ergänzung im konservativen Bereich; die Übermacht der eher links zu verortenden Medien sei zu groß, „da muss man einfach was tun“. Er sich in der „staatsbürgerlichen Verantwortung“, eine Stimme rechts der Mitte zu schaffen, „weil die Mitte nach links gedriftet ist“. Gereizt habe ihn aber auch, mit dieser Ausrichtung in der umkämpften Medienwelt als Newcomer einsteigen zu können.

Um – wie zuletzt bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen – auch dauerhaft eine größere Klientel erreichen zu können, hat Vius eine Zulassung für ein bundesweites Fernseh- und Radioprogramm beantragt; diese wurde nach Medienberichten im September auch bewilligt. Parallel gibt es immer wieder Kritik, auch wegen angeblicher Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht.

Einen größeren zweistelligen Millionenbetrag soll Gotthardt bei „Vius“ investiert haben; sollte es jemals Gewinne geben, bekommt er das Geld zuallererst zurück. Ohne die finanzielle Unterstützung hätten es beide Kanäle wohl schwer, sich über Wasser zu halten. Werbeanzeigen sind nicht zu sehen, stattdessen setzt man auf die Unterstützung der Konsumenten: Während „Achtung Reichelt!“ mittlerweile knapp eine halbe Million Follower eingesammelt hat und Mitgliedschaften für 3,99 Euro monatlich verkauft, kostet ein Abo bei „Nius“ 3,99 Euro pro Woche oder 99 Euro im Jahr. Was man dafür bekommt, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich; geworben wird damit, man könne „Teil der rasant wachsenden Nius Community werden“. Als selbst ernannte „Stimme der Mehrheit“ soll sich das Portal auch über Spenden finanzieren.

Beteiligung in Österreich

Gotthardt denkt aber offensichtlich längst über die Grenzen hinaus; er plant anscheinend den Aufbau eines europäischen Netzwerks an ähnlich ausgerichteten Plattformen: Gerade erst hat sich Vius in Österreich mit 50 Prozent an „Exxpress“ beteiligt, dem selbsterklärten „Online-Medium für Selberdenker“. Die ebenfalls 2021 gestartete Plattform, vom „Standard“ zuletzt als „stramm rechts“ bezeichnet, hatte zuletzt mit fehlenden Mitteln und sinkender Reichweite zu kämpfen.

Investment bei kleineren Sendern

Bereits vor zehn Jahren hatte Gotthardt erstmals in kleinere Medienbetriebe investiert. 2014 übernahm er die drei regionalen Fernsehsender DRF1, TV Mittelrhein und Westerwald-Wied TV. Hier wurde noch ein konservatives Programm gefahren, etwa wenn der inzwischen verstorbene CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs verschiedene Parteifreunde wie Jens Spahn oder Ursula von der Leyen interviewte. Gotthardt ist Ehrenvorsitzender im regionalen Wirtschaftsrat der CDU, Fuchs wiederum saß im Aufsichtsrat von CGM.

Die Aktivitäten der Spartensender wurden zuletzt deutlich zurückgefahren, nachdem die Süddeutsche Zeitung (SZ) über angebliches Propagandaprogramm aus China berichtet hatte.

Auch im Bereich der Fachmedien hatte Gotthardt schon seine Fühler ausgestreckt. Ab 2013 war die CGM-Tochter EBM für Vertrieb und Marketing des Ärztenachrichtendienstes (Änd) verantwortlich. Damals schien Gotthardt ein Auge auf diesen Bereich geworfen zu haben, was wohl auch der Stellung von CGM im Markt dienen sollte. 2019 gab er diese Idee offenbar auf und nahm eine größere Agenda in den Blick. Der Softwarekonzern hat damit nichts zu tun.

Gotthardt hat sich das alleinige Sagen gesichert.Foto: CGM

Gotthardt hatte 1987 den Grundstein für CGM gelegt und gemeinsam mit vier Zahnärzten das Vorgängerunternehmen Dentev gegründet. Von Hause aus selbst Informatiker, hatte er zuvor Software für die Fleischwarenindustrie verkauft. In den folgenden Jahrzehnten wurde immer weiter zugekauft, zeitweise war der Finanzinvestor General Atlantic Partners mit an Bord. Erst seit Mai 2007 ist CGM wieder an der Börse; Gotthardt und seine Familie haben aber nach wie vor das Sagen.

Im Apothekenmarkt fasst CGM im Juni 2011 mit der Übernahme von Lauer-Fischer Fuß. Zuvor hatte man vergebens mit Pharmatechnik verhandelt. Der Apothekenbereich sei für die Gruppe der letzte fehlende Link zur Marktabdeckung gewesen, rechtfertigte Finanzchef Christian B. Teig damals den hohen Kaufpreis von insgesamt mehr als 70 Millionen Euro.

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