Kommentar

Redcare: Steuer bleibt Geheimnis

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Berlin -

Redcare wollte einem Apotheker einen Maulkorb verpassen, der sich in einem Interview kritisch über die Rosinenpickerei der niederländischen Versender geäußert hatte. Die Sache ging komplett nach hinten los: Den Vorwurf, dass die Online-Konkurrenten hinter der Grenze auch Steuervorteile genießen, konnten oder wollten die Anwälte vor dem Landgericht München II nicht entkräften. Aus gutem Grund?! Ein Kommentar von Patrick Hollstein.

Wenn man wegen eines vermeintlichen Eingriffs in die eigenen Persönlichkeitsrechte vor Gericht zieht, sollte man sich sicher sein, dass man gewinnt. Denn anderenfalls steht man nicht nur als Verlierer da, sondern legitimiert auch noch die Aussagen, die man eigentlich verbieten lassen wollte. Und noch prekärer wird das Ganze, wenn man einen offensichtlich schwächeren Gegner mit juristischen Mitteln mundtot machen will.

In einem Interview hatte der Apotheker die Versender als „Schmarotzer“ bezeichnet und unter anderem behauptet, dass sie in den Niederlanden verschiedene Steuervorteile genössen. Das ist ein Vorwurf, der seit Jahren immer wieder laut wird und auf den DocMorris & Co. gelegentlich äußerst empfindlich reagieren.

Da der Apotheker seine Aussage dazu nicht explizit als Meinung gekennzeichnet hatte, stand also eine Tatsachenbehauptung im Raum. Für Redcare hätte es ein Leichtes gewesen sein müssen, diese verbieten zu lassen, zumal sich der Gehalt ja objektiv überprüfen lässt. Doch laut Gericht hat der Versender „gar nicht glaubhaft“ gemacht, dass die angegriffenen Tatsachenbehauptungen falsch waren.

Wie konnte das passieren? War es nur eine Schlamperei der Anwälte – oder ist doch etwas dran an den Vorwürfen? Im Bereich der Mehrwertsteuer gilt bei Versendern das Bestimmungslandprinzip, nachdem bei grenzüberschreitenden Lieferungen die Steuer dort zu entrichten ist, wo der Kunde ansässig ist. Aber gibt es beim Einkauf womöglich doch noch Schlupflöcher? Und gibt es im niederländischen Recht wirklich keine Gewerbesteuer?

Fakt ist: In den Niederlanden gilt eine Körperschaftssteuer von 25,8 Prozent; Redcare weist für das vergangene Jahr aber gerade einmal Abgaben in Höhe von 5,1 Millionen Euro aus, was einer Quote von 3,1 Prozent entspricht.

So oder so: Redcare hat sich mit dem juristischen Angriff auf den Apotheker selbst einen Bärendienst erwiesen. Denn auch wenn es nur eine Entscheidung im Eilverfahren ist und andere Richter zu anderen Ergebnissen kommen könnten: Offensichtlich sind Steuern für die Versender nach wie vor ein heikles Thema, das sie nicht gerne öffentlich diskutiert haben wollen. Ein kritischer Diskurs ist also angezeigt.

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