Ratiopharm zahlt Phoenix aus Patrick Hollstein, 19.03.2010 12:00 Uhr
Mehr als 3,6 Milliarden Euro hat der Verkauf von Ratiopharm an Teva gebracht. Nach Angaben von Chefverkäufer Hans-Joachim Ziems kann die Merckle-Gruppe damit auf einen Schlag ihre Schulden komplett zurückzahlen. Auch bei Phoenix dürfte die Nachricht für ein Aufatmen gesorgt haben, hatte doch die Ratiopharm-Holding VEM beim Schwesterkonzern ein Darlehen über einen dreistelligen Millionenbetrag aufgenommen und diesen dadurch mit in die Krise gezogen.
415 Millionen Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 7,3 Millionen Euro hatte der mittlerweile verstorbene Firmenchef Adolf Merckle Ende 2008 bei Phoenix zugunsten der VEM abgezweigt. Da infolge der Überschuldung der VEM ein Totalausfall drohte, wurde Phoenix in das Stillhalteabkommen mit den Merckle-Gläubigerbanken einbezogen.
Knapp 4,5 Milliarden Euro Schulden hatte die VEM Ende 2008, das waren 2 Milliarden Euro mehr als zum Jahresbeginn. Merckle hatte 1,25 Milliarden Euro in Aktien von Heidelberg Cement investiert; als infolge der Finanzkrise der Kurs massiv einbrach, konnte die VEM als zentrale Finanzdrehscheibe ihren Nachschusspflichten aus eigener Kraft nicht nachkommen. Schief gegangene Börsengeschäfte brachten der VEM-Tochter Ratiopharm zusätzlich Verluste in Höhe von 721 Millionen Euro.
Ende Oktober 2008 geriet die Merckle-Gruppe in eine massive Liquiditätskrise. 1,5 Milliarden Euro hatte sich die VEM neu von Banken geliehen; insgesamt summierten sich die Bankverbindlichkeiten auf 3,7 Milliarden Euro. 535 Millionen Euro waren als kurzfristige Darlehen innerhalb des Merckle-Imperiums transferiert worden, der größte Teil davon aus der Kasse von Phoenix.
Am 23. Dezember unterzeichnete Merckle mit den 61 Gläubigerbanken ein Stillhalteabkommen, das am 5. Januar 2009 - dem Todestag des Firmengründers - in Kraft trat. Am 6. Januar bewilligten die Banken Überbrückungskredite in Höhe von 110 Millionen Euro zugunsten der VEM sowie 320 Millionen Euro zugunsten von Phoenix. Das Stillhalteabkommen wurde schließlich im Juni bis Ende 2010 verlängert.
Die Sanierung des Imperiums ging deutlich schneller und reibungsloser als erwartet. Bereits im Sommer reduzierte die Merckle-Gruppe massiv ihre Beteiligung am Baustoffkonzern - zu günstigen Konditionen. Auch der Kaufpreis für Ratiopharm lag deutlich über den Erwartungen. Die Verbindlichkeiten des emotionalen Herzstücks des Imperiums hat Teva gleich mit übernommen.
Die VEM ist also schuldenfrei. Spannend bleibt nun die Frage, wie es bei Phoenix weitergeht. Eingerahmt von Kässbohrer sowie den Beteiligungen an verschiedenen Industrie- und Immobilienprojekten ist der Konzern neuer Mittelpunkt des zurechtgestutzen Imperiums. Über die Zukunft von Europas größtem Pharmahändler ist nach Angaben einer Sprecherin der Merckle-Familie noch nicht entschieden. Ziel sei und bleibe die Entschuldung – und der Erhalt von möglichst viel dessen, was Adolf Merckle aufgebaut hatte.