Rabattverträge statt Versandapotheke Carolin Bauer, 02.11.2012 08:27 Uhr
Als DocMorris vor zwölf Jahren begann, von Holland aus deutsche Patienten zu beliefern, fand die Versandapotheke schnell Unterstützer. Wie kein anderer Kassenchef machte sich der damalige Vorstandsvorsitzende der Gmünder Ersatzkasse (GEK), Dieter Hebel, für das Konzept stark und lobte gegenüber Kunden und Öffentlichkeit die Vorzüge des Versandhandels. Seit 2007 ist Hebel im Ruhestand und nun als Berater für Versandapotheken tätig. Mit APOTHEKE ADHOC sprach er über die Beziehung zwischen Kassen und Versandhandel, den Nutzen für Patienten und die Perspektiven für die Branche.
ADHOC: Wann haben Sie als Kassenchef angefangen, sich auf das Thema Versandapotheke einzuschießen?
HEBEL: Es waren die Kunden, bei denen DocMorris damals gut angekommen ist. Viele Versicherte sind damals zu uns gekommen und wollten, dass wir die Erstattung übernehmen. Warum auch nicht? Mir ist es doch eigentlich egal, woher das Medikament kommt, solange es sich um einen seriösen Anbieter handelt.
ADHOC: Ihnen war auch egal, dass der Versandhandel damals noch nicht einmal zugelassen war.
HEBEL: Ich habe 2002 DocMorris in Holland besucht und gesehen, wie qualitativ hochwertig die Auslieferung und die pharmazeutische Kompetenz des Personals war. Professor Dr. Gerd Glaeske hat die Sendungen ausgewertet und herausgefunden, dass die Qualität gleich mit der der traditionellen Apotheke war. Ob ich eine Packung mit dem Paket oder über die Ladentheke bekomme, ist doch das Gleiche. Der Unterschied ist nur der Preis. Außerdem sind wir damit einem Kundenwunsch nachgekommen.
ADHOC: An der Ladentheke wird immerhin beraten.
HEBEL: Nach unseren Recherchen bei Stiftung Warentest und in Medienberichten war die Beratung in bis zu 85 Prozent der öffentlichen Apotheken schlecht. Professor Glaeske hat festgestellt, dass die Beratung bei DocMorris besser war. Auch deshalb war unsere Empfehlung im Interesse der Kunden.
ADHOC: Und nach diesen Erkenntnissen haben Sie dann für DocMorris geworben?
HEBEL: Die GEK hat keine Werbung für DocMorris gemacht, sondern die Kunden über die kostengünstige Bezugsmöglichkeit aufgeklärt. Wir haben beispielsweise in den Mitgliedszeitschriften auf DocMorris hingewiesen. Die GEK hat dafür einen Rabatt erhalten, den wir bei der Abrechnung nicht zahlen mussten. Die GEK hat aber nie gesagt, dass der Kunde zu einem bestimmten Arzt oder eine Apotheke gehen soll.
ADHOC: Welche Zielgruppen hatten Sie denn im Blick?
HEBEL: Es geht beim Versandhandel hauptsächlich um chronisch Kranke, die mit hohen Zuzahlungen gebeutelt sind. Mit dem Einkauf konnten sich die Kunden besser stellen, da DocMorris die Zuzahlung erlassen hat. Für Chroniker ist es sinnvoll und dann auch für die Kasse: Wir haben mehr als 90 Prozent unserer Arzneimittelkosten für chronisch Kranke ausgegeben, das waren aber nur 4 Prozent unserer Mitglieder.
ADHOC: Gibt es für die Kassen immer noch Vorteile in einer Partnerschaft mit Internetapotheken?
HEBEL: Viele Versandapotheken leben vom Verkauf von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die Kassenchefs sagen heute, sie wollten nichts mehr damit zu tun haben. Das hat mit den Rabattverträgen zutun. Damit wird heute viel mehr Geld gemacht. Das finde ich bedauerlich. Denn die Stärke der Versandapotheke liegt in der Versorgung und Betreuung chronisch Kranker oder von Menschen mit Krankheiten, die eine hohe Schamschwelle haben, um sich beraten zu lassen wie etwa HIV.
ADHOC: Also waren es die Rabattverträge, die das Geschäft der Versandapotheken kaputt gemacht haben?
HEBEL: In der Theorie muss das nicht sein, allerdings brauchen die Kassen die Apotheker nun, um die Rabattverträge umzusetzen. Kassen müssen mutiger und innovativer werden. Vielen fehlt aus meiner Sicht der Gestaltungswille. Und der Gesetzgeber ist gefordert, die Rx-Preise zu Höchstpreisen umzuwandeln. Dann hätten die Kassen wieder einen hohen Anreiz, um mit den Versandapotheken ihre chronisch kranken Mitglieder Versorgungsangebote zu unterbreiten.
ADHOC: Was bedeuten Höchstpreise für die Apotheken vor Ort?
HEBEL: Das würde den Apotheker stärken. Dann können die Krankenkassen mit den Apotheken Lieferverträge abschließen. Ich habe mich damals unter Ulla Schmidt dafür eingesetzt und gesagt, die Apotheken sollten für die freie Marktwirtschaft freigegeben werden. Den Apothekern selbst fehlt aber die Aufbruchsstimmung zum Unternehmer und der Politik aktuell der Mut.
ADHOC: Haben Versandapotheken heute eine Zukunft?
HEBEL: Ich halte sie für zukunftsfähig. Die Versandapotheke spricht einen speziellen Kundenstamm an. Eine junge Frau muss verrückt sein, wenn sie die Pille dort nicht einkauft. Viele Kunden mit Krankheiten wie Aids bestellen ihre Medikamente außerdem lieber anonym. Die Apotheken vor Ort beraten nicht diskret genug. Bei der Versorgung der Menschen in ländlichen Gebieten können Versandapotheken auch eine Versorgungslücke schließen.